Page 729 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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und fragten es: »Vis venire Romam?« (Willst du nach Rom kommen?)
Da schien es einem, daß es nickte, und einem andern, daß es ja sagte.
Weil nun diese Leute sehr fromm waren, da sie nach dem Zeugnis des
Livius ohne Lärm, ganz andächtig und ehrfurchtsvoll in den Tempel
traten, so glaubten sie die Antwort zu hören, die sie bei ihrer Frage
vielleicht vorausgesetzt hatten. Und dieser Aberglaube wurde von
Camillus und den andern Häuptern der Stadt durchaus begünstigt und
gefördert.
Wäre die Frömmigkeit von den Häuptern der Christenheit so rein
erhalten worden, wie der Stifter des Christentums es gewollt hatte, so
herrschte mehr Eintracht und Glück in den christlichen Staaten und
Ländern als jetzt. Nichts zeigt mehr den Verfall des Glaubens als die
Tatsache, daß die Völker am wenigsten Religion haben, die der
römischen Kirche, dem Haupt unsres Glaubens, am nächsten sind. Wer
die Grundlagen der Religion betrachtet und dann sieht, wie sehr der
jetzige Brauch davon abweicht, der muß glauben, daß ihr Untergang oder
ihr Strafgericht nahe ist. Noch während der Niederschrift seines Buches
brach die Reformation in Deutschland und der Schweiz aus, und
Machiavelli erlebte noch das furchtbare Strafgericht des »Sacco di
Roma« durch die Kaiserlichen. (S. Lebenslauf, 1527.)
Da nun einige der Meinung sind, das Gedeihen der italienischen
Angelegenheiten hinge von der römischen Kirche ab, so will ich gegen
diese Meinung meine Gründe anführen, und zwar sehr triftige, die nach
meiner Meinung unwiderleglich sind. Erstens hat das Land durch das
schlimme Beispiel des päpstlichen Hofes alle Frömmigkeit und Religion
verloren, was zahllose Mißstände und endlose Wirren zur Folge hat.
Denn wie man da, wo Religion herrscht, alles Gute voraussetzt, so ist da,
wo sie fehlt, das Gegenteil zu erwarten. Wir Italiener haben es also in
erster Linie der Kirche und den Priestern zu danken, daß wir gottlos und
schlecht geworden sind. Wir haben ihr aber noch etwas Schlimmeres zu
danken, was die Ursache unsres Verfalls ist: ich meine, daß die Kirche
unser Land in Zersplitterung erhalten hat und noch hält.
Gewiß war noch nie ein Land einig oder glücklich, wenn es nicht
ganz einer Republik oder einem Fürsten gehorchte, wie z.B. Frankreich
und Spanien. Wenn Italien nicht in der gleichen Lage ist und nicht
gleichfalls von einer Republik oder einem Fürsten regiert wird, so ist
einzig die Kirche daran schuld. Denn obwohl sie in Italien ihren Sitz und
weltliche Macht hat, war sie doch nicht mächtig und mutig genug, um
das übrige Italien zu erobern und es sich untertan zu machen. Andrerseits
aber war sie auch nicht so schwach, um nicht, sobald sie den Verlust
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