Page 734 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Neffen des Konsuls, Spurius Papirius, mit, der es dem Konsul berichtete.
                Der versetzte rasch, er solle sich um sein Amt kümmern; für ihn und das
                Heer seien die Auspizien günstig. Hätte der Pullarier gelogen, so würde

                er selbst den Schaden davon haben. Damit nun der Erfolg der Voraussage
                entspräche, befahl er den Legaten, die Pullarier ins vorderste Treffen zu
                stellen. Beim Anrücken gegen den Feind fiel der Vorsteher der Pullarier
                durch Zufall, vom Speer eines römischen Soldaten getroffen. Auf diese
                Nachricht rief der Konsul, alles gehe gut und mit der Gunst der Götter,
                denn durch den Tod dieses Lügners sei ihr Zorn gesühnt und das Heer
                von aller Schuld gereinigt. Indem er so seine Absichten mit den

                Auspizien in Einklang zu bringen wußte, konnte er eine Schlacht wagen,
                ohne daß das Heer die Verletzung der religiösen Vorschriften merkte.
                     Umgekehrt verfuhr Appius Claudius Pulcher in Sizilien während des
                ersten punischen Krieges. Im Begriff, mit dem Karthagischen Heer zu
                kämpfen, Publius (nicht Appius) Claudius Pulcher wurde 249 v. Chr. in
                der Seeschlacht bei Drepana von den Karthagern geschlagen. ließ er die

                Pullarier ihre Auspizien anstellen, und als sie meldeten, daß die Hühner
                nicht fräßen, rief er: »Laßt sehen, ob sie nicht trinken wollen!« Er ließ
                sie ins Meer werfen, schlug die Schlacht und verlor sie. Dafür wurde er
                in Rom bestraft, Papirius aber geehrt, nicht, weil der eine geschlagen
                worden war und der andre gesiegt hatte, sondern weil der eine klug
                gegen die Auspizien gehandelt hatte und der andre vermessen. Diese
                Einrichtung hatte ja auch keinen andern Zweck, als daß die Soldaten

                vertrauensvoll in den Kampf gingen, denn aus solchem Vertrauen
                entspringt fast immer der Sieg. Der gleiche Brauch herrschte aber nicht
                nur bei den Römern, sondern auch bei andern Völkern, wofür ich im
                folgenden Kapitel ein Beispiel anführen will.

































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