Page 911 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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den französischen Angriffen kräftiger widerstehen können als mit
                inneren Feinden und ihrem Kastell.
                     Die Festungen nützen überhaupt nichts, denn entweder gehen sie

                durch den Verrat der Besatzung oder durch Bestürmung oder durch
                Hunger verloren. Sollen sie aber etwas nützen und zur Rückeroberung
                einer verlorenen Stadt beitragen, in der einem nur noch das Kastell
                geblieben ist, so muß man ein Heer haben, mit dem man den Feind, der
                einen vertrieben hat, angreifen kann. Und hat man dies Heer, so wird
                man sein Land unter allen Umständen auch ohne Kastell
                wiederbekommen, und zwar um so leichter, weil die Bürger einem

                freundlicher gesinnt sind, als wenn man sie im Besitz einer Zwingburg
                mißhandelt hat. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das Kastell von Mailand
                weder unter den Sforza noch unter den Franzosen im Unglück irgend
                etwas genützt hat. Vielmehr hat es beiden großen Schaden und Verlust
                gebracht, da sie in seinem Besitz nicht darauf bedacht waren, die Stadt
                auf anständigere Weise zu behaupten. Als der Herzog Guido Ubaldo von

                Urbino, der Sohn Federigos, ein zu seiner Zeit hochgeschätzter Feldherr,
                von Cäsar Borgia, dem Sohn des Papstes Alexander VI., aus seinem
                Staate vertrieben war, aber später durch die Ereignisse wieder
                zurückkehrte, Federigo von Montefeltro s. Lebenslauf, 1472 und 1474.
                Sein Sohn Guidohaldo folgte ihm 1482, wurde 1502 von Cäsar Borgia
                vertrieben, kehrte nach dem Tode Alexanders VI. (1503) zurück und
                schleifte die Kastelle von Gubbio und Pergola. ließ er alle Festungen im

                Lande schleifen, da er sie für schädlich hielt. Gegen seine Untertanen,
                die ihn liebten, wollte er sie nicht haben, und gegen die Feinde konnte er
                sie nicht verteidigen, da er zu ihrem Schutz eines Feldheeres bedurft
                hätte. Er entschloß sich also, sie zu schleifen.
                     Papst Julius II. legte nach der Vertreibung der Bentivogli aus
                Bologna (1506) ein Kastell in dieser Stadt an, dann ließ er das Volk

                durch seinen Statthalter blutig unterdrücken. Es empörte sich (1511), und
                das Kastell ging sofort verloren. So nützte ihm das Kastell ebenso wie
                seine Gewalttätigkeit nicht soviel, wie ein andres Benehmen ihm genützt
                hätte.
                     Als Niccolò da Castello, der Vater der Vitelli, Niccolò da Castello,
                Herr von Città di Castello, wurde von Papst Sixtus IV. (Rovere) 1474
                vertrieben, gelangte aber nach dessen Tod (1484) wieder zur Herrschaft

                († 1486). aus der Verbannung in sein Vaterland zurückkehrte, ließ er
                sofort zwei Festungen schleifen, die Papst Sixtus IV. erbaut hatte, denn
                er meinte, nicht die Festungen, sondern die Liebe des Volkes müsse ihn
                im Besitz der Herrschaft erhalten.





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