Page 920 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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im Wasser und war mit Lebensmittel und Kriegsbedarf aufs beste
                versehen, so daß Alexander nach vier Monaten einsah, daß diese eine
                Stadt seinem Ruhme mehr Zeit raubte als viele Eroberungen. Er

                entschloß sich also, sich auf einen Vergleich einzulassen und ihr das
                zuzugestehen, was sie selbst verlangt hatte. Aber die Tyrier waren
                übermütig geworden. Sie schlugen nicht nur den Vergleich aus, sondern
                ermordeten sogar die mit dem Abschluß Beauftragten. Hierüber
                ergrimmt, betrieb Alexander die Belagerung mit solchem Nachdruck,
                daß er die Stadt einnahm, sie zerstörte und die Einwohner tötete oder zu
                Sklaven machte. 332 v. Chr. Vgl. Quintus Curtius, IV, 7-19.

                     Im Jahre 1512 drang ein spanisches Heer in das Gebiet von Florenz
                ein, um die Medici zurückzuführen und die Stadt zu brandschatzen. Es
                war von einigen Bürgern herbeigerufen, die den Spaniern Hoffnung
                gemacht hatten, sie würden sogleich nach ihrem Einrücken ins
                Florentiner Gebiet die Waffen ergreifen. Als nun die Spanier in die
                Ebene hinabstiegen und niemand vorfanden, aber Mangel an

                Lebensmitteln litten, versuchten sie, zu unterhandeln. Allein durch dies
                Angebot aufgeblasen, ging das Volk von Florenz nicht darauf ein, und
                die Folge war der Verlust Pratos und der Sturz der Republik. S.
                Lebenslauf, 1512.
                     Fürsten, die von einem übermächtigen Gegner angegriffen werden,
                können daher keinen größeren Fehler begehen, als jeden Vergleich
                auszuschlagen, zumal wenn er angeboten wird; denn nie wird ein so

                schlechter angeboten werden, daß der Annehmende nicht einigermaßen
                seinen Vorteil dabei findet und dadurch einen Teil von dem erreicht, was
                ihm ein Sieg gegeben hätte. Die Tyrier mußten sich also damit begnügen,
                daß Alexander die anfangs abgeschlagenen Bedingungen annahm, und
                ihr Sieg war groß genug, wenn sie mit den Waffen in der Hand einen so
                großen Mann dahinbrachten, ihren Willen zu tun. Ebenso mußte es den

                Florentinern genügen, und der Sieg war groß genug, wenn das spanische
                Heer einem ihrer Wünsche nachgab und die eignen nicht alle erreichte.
                Denn die Absicht dieses Heeres ging dahin, die Regierung in Florenz zu
                stürzen, es von Frankreich abwendig zu machen und Geld zu bekommen.
                Hätte es von diesen drei Wünschen zwei erreicht, nämlich die beiden
                letzten, und hätte Florenz sich mit einem begnügt, nämlich seine
                Verfassung beizubehalten, so hätte für beide Teile etwas Ehrenvolles und

                Befriedigendes darin gelegen. Das Volk mußte über jene beiden andern
                Punkte hinwegsehen, da es ja seine Freiheit behielt. Selbst mit einem fast
                sichren und größeren Sieg vor Augen durfte es diesen doch nicht dem







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