Page 921 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Glück anheimstellen und sein Letztes aufs Spiel setzen, was kein kluger
Mann je ohne Not wagen wird.
Als Hannibal nach sechzehn ruhmvollen Kriegsjahren Italien verließ,
weil ihn die Karthager zu Hilfe in ihr Vaterland riefen, fand er den
Hasdrubal und Syphax geschlagen, das Königreich Numidien verloren,
Karthago auf den Umfang seiner Mauern beschränkt, ohne andre Rettung
als ihn und sein Heer. In dem Bewußtsein, daß dies der letzte Einsatz
seines Vaterlandes war, wollte er ihn nicht aufs Spiel setzen, bis er jedes
andre Mittel versucht hatte. Er schämte sich also nicht, um Frieden zu
bitten, denn er wußte wohl, wenn seinem Vaterland noch ein
Rettungsmittel blieb, so lag es im Frieden und nicht im Kriege. Als
jedoch der Friede verweigert wurde und alles verloren war, wollte er
noch das Schlachtglück versuchen Bei Zama (202 v. Chr.). und entweder
siegen oder ruhmvoll untergehen. Wenn nun Hannibal, der so tapfer war
und ein ungeschlagenes Heer hatte, eher den Frieden als die Schlacht
suchte, als er sah, daß sein Vaterland durch eine Niederlage in
Knechtschaft geriet, was soll dann ein andrer von geringerer Tapferkeit
und Erfahrung tun? Aber die Menschen machen den Fehler, daß sie ihren
Hoffnungen keine Grenzen zu setzen wissen. Sie verlassen sich auf
diese, ohne ihre Kräfte zu messen, und rennen in ihr Verderben.
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