Page 928 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sondern die seine zu erkaufen. Aber nicht nur Florenz ist so erbärmlich
gewesen, sondern auch Venedig und der König von Frankreich, der mit
einem so großen Reiche den Schweizern und dem König von England
tributpflichtig ist. Das kommt aber nur daher, daß ihre Völker
unbewaffnet sind und daß der König und die andern Genannten den
augenblicklichen Vorteil vorzogen, das Volk auszuplündern, und daß sie
lieber einer mehr eingebildeten als wirklichen Gefahr entfliehen wollten,
als etwas zu tun, das ihnen Sicherheit verschaffen und ihre Staaten für
immer glücklich machen könnte. Schafft aber dieser Übelstand auch für
eine Weile Ruhe, so führt er in der Folge doch notwendig zu Bedrängnis,
Verlusten und unabwendbarem Untergang.
Es würde zu weit führen, hier zu erzählen, wie oft Florenz, Venedig
und der König von Frankreich sich vom Kriege losgekauft und wie oft
sie sich einer Schmach unterworfen haben, der die Römer sich nur ein
einziges Mal unterwerfen wollten. Es würde zu weit führen, hier zu
erzählen, wieviel Städte Florenz und Venedig erkauft hat. Nachher hat
man gesehen, welche Unordnung daraus entstand, und erkannt, daß man
das, was man mit Gold erobert hatte, nicht mit Eisen zu behaupten
vermochte. Solange die Römer frei waren, blieben sie ihrer hohen
Gesinnung und ihren Grundsätzen treu. Als sie aber unter die Kaiser
kamen und diese schlecht wurden und den Schatten mehr liebten als die
Sonne, fingen auch sie an, bald von den Parthern, bald von den
Germanen, bald von andern Nachbarn sich loszukaufen, und das war der
Anfang des Verfalls dieses gewaltigen Reiches.
Diese Übelstände entstanden also daraus, daß die Völker wehrlos
gemacht waren. Aber es entspringt daraus noch ein weit größerer,
nämlich, daß du um so schwächer wirst, je näher dir der Feind kommt.
Denn wer in der oben genannten Weise verfährt, behandelt die
Untertanen seines Reiches zu schlecht, um sie zur Abwehr des Feindes
geneigt zu machen. Er muß daher den Herren und Völkern, die an seinen
Grenzen wohnen, Gehälter geben, um den Feind möglichst weit
abzuhalten. Daher kommt es, daß solche Staaten an ihren Grenzen
einigen Widerstand leisten, hat aber der Feind die Grenzen überschritten,
so ist alles verloren. Die Herrscher sehen aber nicht ein, daß dies
Verfahren aller guten Ordnung zuwiderläuft. Denn das Herz und die
edlen Teile des Körpers müssen gewappnet sein, nicht die Gliedmaßen,
weil er ohne diese leben kann; sind aber jene verletzt, so stirbt er. Solche
Staaten haben also ein ungewappnetes Herz und gepanzerte Hände und
Füße.
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