Page 975 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 975
des Fabius Maximus nachzuahmen, der Rom durch Vermeiden einer
Schlacht rettete, und sehen nicht ein, daß ein solcher Auftrag meistenteils
Unsinn oder verderblich ist. Denn ein Heerführer, der sich im Felde
halten will, kann eine Schlacht unmöglich vermeiden, sobald der Gegner
sie durchaus liefern will. Ein solcher Auftrag heißt also nur soviel wie:
liefere eine Schlacht, wenn es dem Feinde paßt, nicht dir.
Denn wer sich im Felde halten und keine Schlacht liefern will, hat
nur ein sichres Mittel, nämlich wenigstens zehn Meilen Im Urtext: 50
Miglien. vom Feinde entfernt zu bleiben und sich gute Kundschafter zu
halten, damit er bei seinem Anrücken rechtzeitig abziehen kann. Ein
andres Mittel ist, sich in eine Stadt einzuschließen, aber beide Mittel sind
höchst verderblich. Im ersten Fall überläßt man sein Land dem Feinde
zur Beute, und ein tapfrer Fürst wird lieber das Schlachtenglück wagen,
als den Krieg derart zum Schaden seiner Untertanen in die Länge zu
ziehen. Im zweiten Falle ist der unglückliche Ausgang offenbar, denn
wirft man sich mit seinem Heer in eine Stadt, so wird man sicher
belagert, leidet bald Hunger und muß sich ergeben. Diese zwei Mittel,
einer Schlacht auszuweichen, sind also durchaus verderblich. Das
Verfahren des Fabius Maximus, stets feste Lager zu beziehen, ist gut,
wenn dein Heer so tapfer ist, daß der Feind dich in deiner vorteilhaften
Stellung nicht anzugreifen wagt. Man kann auch nicht sagen, daß Fabius
eine Schlacht vermieden habe; er wollte sie nur zu seinem Vorteil liefern.
Denn hätte Hannibal ihn angegriffen, so hätte er ihn erwartet und die
Schlacht angenommen; aber Hannibal wagte es nicht, ihn in seiner
günstigen Stellung anzugreifen. Die Schlacht wurde also sowohl von
Hannibal wie von Fabius vermieden; hätte aber einer von beiden sie um
jeden Preis liefern wollen, so blieben dem andern nur drei Auswege,
nämlich die beiden obengenannten oder die Flucht.
Wie wahr dies ist, ergibt sich deutlich aus tausend Beispielen,
besonders aus dem Kriege der Römer mit Philipp von Mazedonien, dem
Vater des Perseus. Philipp III. S. Seite 139, Anm. 9, und Seite 140, Anm.
11. Von den Römern angegriffen, beschloß Philipp, keine Schlacht zu
liefern. Zu diesem Zweck wollte er es anfangs so machen, wie Fabius
Maximus in Italien. Er setzte sich also auf einer Bergkuppe fest und
verschanzte sich stark, in der Meinung, die Römer würden den Angriff
nicht wagen. Sie griffen ihn aber doch an und vertrieben ihn von seinem
Berge, und da er keinen Widerstand leisten konnte, ergriff er mit dem
größten Teil seiner Leute die Flucht. Nur die Unwegsamkeit der Gegend,
die die Römer an der Verfolgung hinderte, rettete ihn vor völliger
Vernichtung. Da sich also Philipp auf keinen Kampf einlassen wollte,
974