Page 97 - Stiftung Warentest - Warenkunde Brot - Gutem Brot auf der Spur
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Die Bäckerei als kulturelle Institution
Der im fränkischen Dachsbach beheimatete Arnd Erbel nennt sich selbst
„Freibäcker“. Er gilt als einer der Besten seines Berufsstandes. Neben dem
eigenen Dorfladen und einigen Geschäften in der Umgebung beliefert er führende
Restaurants in ganz Deutschland mit seinen Backwaren.
Was ist für Sie ein gutes Brot?
Es ist nachhaltig hergestellt und schmeckt nicht nur am ersten Tag. Wenn ich
hinhören möchte, erzählt es mir eine Geschichte.
Sehen Sie für den Verbraucher einen Unterschied in der Qualität zwischen
Handwerksbäcker und Großbäcker?
Das Problem beginnt schon bei der Definition eines handwerklich hergestellten
Produkts. Viele Großbäckereien betreiben mit großem Aufwand ein Marketing, das
darauf abzielt, sich selbst als Handwerksbäckerei zu inszenieren. Sehen Sie genauer
hin! Wenn
Brezeln, die in einer Fabrik von einem Roboter hergestellt wurden und die erst beim
Verkauf von der Bäckereifachverkäuferin in die Hand genommen werden, als
handwerkliches Produkt gelten, wären im Umkehrschluss alle Laufschuhe aus
Fernost ebenfalls Handwerksprodukte. Schließlich wurden die Schnürsenkel händisch
eingefädelt.
Wie definieren Sie sich selbst?
Ich sehe unsere Bäckerei als kulturelle Institution, als Anreicherungsort von
praktischem Fachwissen; als Arbeitgeber, der den größtmöglichen Teil des Umsatzes
zu den Mitarbeitern fließen lässt und somit im regionalen Wirtschaftskreislauf bleibt;
als stabile Größe, die nicht so leicht umgestoßen, aufgekauft oder mit der sonst etwas
geschehen kann. In unserer Backstube sind maximal sieben Leute und insgesamt
gefühlte 20 Mitarbeiter. An 300 Arbeitstagen werden in der Backstube insgesamt
circa 120 000 Kilogramm Teig geknetet, in Form gebracht und gebacken.
Welches Kriterium steht in Ihrem Herstellungsprozess an erster Stelle?
Geschmack, Nachhaltigkeit, Sinnlichkeit.