Page 120 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 120
96 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
d) Haftungsausschluss
Die Gefährdungshaftung des Schiffseigentümers wird in vier Fällen, die in
Art. III Abs. 2 und 3 HÜ aufgeführt sind, durchbrochen.
Der Schiffseigentümer haftet nicht, wenn er nachweist, dass die Schäden auf
Kriegshandlungen, kriegsähnlichen Handlungen oder ein außergewöhnliches,
unvermeidliches und unabwendbares Naturereignis zurückzuführen sind
(Art. III Abs. 2 lit. a) HÜ). Diese Formulierung soll besondere Fälle von höherer
Gewalt umschreiben, wobei Naturereignisse nur dann zu einem Haftungsaus-
schluss führen, wenn sie weder für das Fahrgebiet noch die Jahreszeit vorherseh-
bar waren und auch bei Aufbietung aller technischen und navigatorischen Mög-
lichkeiten nicht hätten überstanden werden können. 3
369
Die Haftung des Schiffseigentümers ist ferner ausgeschlossen, wenn die Schä-
den ausschließlich von einem Dritten in Schädigungsabsicht herbeigeführt wur-
den (z.B. Terroranschläge) 3 oder durch ein Verschulden einer Behörde im Zu-
370
sammenhang mit der Kennzeichnung der Wasserwege oder bei anderen techni-
schen Hilfsdiensten verursacht worden sind (Art. III Abs. 2 lit. b) und c) HÜ).
Unter den letztgenannten Ausschlusstatbestand fällt nicht nur die Unterhaltung
von Lichtern und Signalen, sondern auch die Aktualisierung der offiziellen Seekar-
ten. 3
371
Artikel III Abs. 3 HÜ berücksichtigt ein etwaiges Mitverschulden des Geschä-
digten. Der Schiffseigentümer kann danach von seiner Haftung ganz oder teilwei-
se befreit werden, wenn der Schaden durch absichtliches oder fahrlässiges Verhal-
ten des Geschädigten verursacht wurde. Sachlich entspricht die Regelung dem
deutschen § 254 BGB, 3 wobei die Gewichtung des Mitverschuldens im Einzel-
372
fall dem anwendbaren nationalen Recht überlassen bleibt.
e) Haftungsumfang
Die Definition der Verschmutzungsschäden in Art. I Abs. 6 HÜ bestimmt weit-
gehend die Art und den Umfang der nach dem Übereinkommen ersatzfähigen
Schäden. Jedoch enthält die Definition trotz der Neufassung durch das Protokoll
von 1992 keine detaillierte Regelung darüber, welche spezifischen Schäden erfasst
sind, sondern ist bewusst offen formuliert worden, so dass im konkreten Einzel-
369 Herber, RabelsZ 1970, 223 (239); Denkschrift zu dem Ölhaftungsübereinkommen von 1969 und
zu dem Fondsübereinkommen von 1971 in BT-Drucks. 7/2299, 58 (61).
370 Kappet, S. 51.
371 Dies wurde ausdrücklich in einem Urteil des schwedischen Obersten Gerichtshofs entschieden,
der über den Fall des russischen Tankers „Tsesis“ zu urteilen hatte, der in schwedischen Gewäs-
sern auf einen in der offiziellen Seekarte nicht vermerkten Felsen aufgelaufen war; Tiberg,
Lloyd`s Maritime and Commercial Law Quarterly 1984, S. 218–226; De la Rue/ Anderson,
Shipping and the Environment, S. 89 ff.
372 Denkschrift zu dem Ölhaftungsübereinkommen von 1969 und zu dem Fondsübereinkommen
von 1971 in BT-Drucks. 7/2299, 58 (61); Kappet, S. 52.