Page 132 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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108 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
Haftungsfonds durch Einleitung eines gerichtlichen Verteilungsverfahrens nach
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der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) 4 , § 487e Abs. 1 HGB.
Neben dem Eigentümer ist nach Art. V Abs. 11 S. 1 HÜ auch der Versicherer
oder sonstige finanzielle Sicherheitsgeber berechtigt, einen Haftungsfonds unter
denselben Bedingungen und mit derselben Wirkung wie der Eigentümer zu errich-
ten. Für den Fall, dass der Eigentümer selbst nicht berechtigt ist, seine Haftung zu
beschränken (Art. V Abs. 2 HÜ), kann der Versicherer zwar den Haftungsfonds
errichten, dies beeinträchtigt dann aber nicht die Ansprüche der Geschädigten
gegen den Eigentümer, Art. V Abs. 11 S. 2 HÜ.
dd) Unbeschränkte Haftung bei absichtlicher Schadensherbeiführung oder
bewusster Leichtfertigkeit
Eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkung ist im Gegensatz zur Regelung
im Haftungsübereinkommen von 1969 4 nach der neuen Bestimmung im Haf-
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tungsübereinkommen von 1992 nur noch sehr schwer möglich.
Nur dann, wenn erwiesen ist, dass der Verschmutzungsschaden auf eine
Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Schiffseigentümer
selbst entweder in der Absicht solche Schäden herbeizuführen oder leichtfertig
und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass solche Schäden wahrscheinlich
eintreten würden, verliert der Schiffseigner das Recht, seine Haftung zu beschrän-
ken, Art. V Abs. 2 HÜ. Es muss also ein qualifiziertes persönliches Verschulden
des Eigentümers vorliegen, dass auch als bewusste grobe Fahrlässigkeit bezeichnet
werden kann. 4
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Man entschied sich bei der Neufassung für die Übernahme der Formulierung,
die in allen neueren Seerechtsübereinkommen zu finden ist. 4 Eine Zurechnung
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des Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfenverschulden sieht das Übereinkommen
nicht vor. 4
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444 Nach der Neufassung in BGBl. 1999 I, S. 530 ff., berichtigt in BGBl. 2000 I, S. 149 und zuletzt
geändert in BGBl. 2005 I, S. 837 (852).
445 Danach haftete der Schiffseigentümer bereits dann unbeschränkt, wenn das Ereignis auf dessen
einfaches persönliches Verschulden zurückzuführen war („actual fault or privity“),
Art. V Abs. 2 HÜ von 1969.
446 Herber, Seehandelsrecht, S. 195.
447 Ganten, Die Protokolle von 1984 zum Ölhaftungsübereinkommen von 1969 und zum Fonds-
übereinkommen von 1971, S. 26.
448 Denkschrift zu dem Ölhaftungsübereinkommen von 1969 und dem Fondsübereinkommen von
1971, BT-Drucks. 7/2299, S. 62.