Page 151 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 127
Mitgliedschaft steht naturgemäß nur den Staaten offen, die auch Vertragsstaaten
des Pariser oder des Wiener Übereinkommens sind, Art. VI Gemeinsames Proto-
koll.
Das Gemeinsame Protokoll stellt einerseits die ausschließliche Anwendbarkeit
entweder des Pariser oder des Wiener Übereinkommens sicher
(Art. III Gemeinsames Protokoll), andererseits verbindet es beide Übereinkom-
men, indem im Hoheitsgebiet beider Übereinkommen die Anlageninhaber der
Vertragsstaaten wechselseitig haften (Art. II Gemeinsames Protokoll). Tritt also
ein nukleares Ereignis im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des Wiener Über-
einkommens ein, haftet der Inhaber der Anlage auch für Schäden, die im Hoheits-
gebiet eines Vertragsstaates des Pariser Übereinkommens eingetreten sind, und
umgekehrt. Die Höhe der zur Verfügung stehenden Haftungssummen hängt dabei
immer davon ab, in welchem Land sich der Unfall ereignet.
Der erhoffte Beitritt vieler neuer Staaten zum internationalen Haftungsregime
blieb allerdings damals trotz des Gemeinsamen Protokolls aus. 5 Überdies hatte
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die Katastrophe von Tschernobyl deutlich gemacht, dass die in beiden Haftungs-
regimen vorgesehenen Haftungssummen für potentielle Schadensausmaße von
Kernkraftunfällen wie in Tschernobyl, aber auch für geringere nukleare Unfälle,
völlig unzureichend sind. 5
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Diese Überlegungen mündeten schließlich in die Verabschiedung des „Über-
einkommens zur Bereitstellung zusätzlicher Entschädigungsmittel“ am
12. September 1997. Dieses Übereinkommen ist ein freistehendes Übereinkom-
men, d.h. es steht nicht nur Vertragsstaaten des Pariser und Wiener Übereinkom-
mens offen, sondern auch Nichtvertragsstaaten, deren nationales Recht mit den
Bestimmungen des Anhangs zum Entschädigungsübereinkommen überein-
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stimmt. 5 Es ist allerdings bisher noch nicht in Kraft getreten. 5
Ferner wurde auf derselben Diplomatischen Konferenz in Wien ein „Zusatz-
protokoll zum Wiener Übereinkommen von 1963“ abgeschlossen, das am
4. Oktober 2003 in Kraft getreten ist. 5 Das Zusatzprotokoll zum Wiener Über-
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einkommen vom 12. September 1997 ist ebenfalls eine eigenständige Konvention,
543 Hinteregger/Kissich, AtomHG 1999, S. 10, Rn. 9.
544 Hinteregger/Kissich, AtomHG 1999, S. 9, Rn. 7.
545 Art. XVIII Abs. 1 und Art. XIX Abs. 1 Entschädigungsübereinkommen. Der Anhang zum Ent-
schädigungsübereinkommen enthält allerdings die wesentlichen Grundsätze des Wiener und Pa-
riser Übereinkommens. Ausführlich zum Entschädigungsübereinkommen 2. Teil F IV.
546 Ratifiziert haben bisher nur Argentinien, Marokko, Rumänien und die
USA. http://www.iaea.org/Publications/Documents/Conventions/supcomp_status.pdf
(Stand: 08.08.2010), die Liste ist auf dem Stand vom 21.05.2008.
547 Derzeit ist es für folgende fünf Staaten in Kraft: Argentinien, Belarus, Lettland, Marokko und
Rumänien. http://www.iaea.org/Publications/Documents/Conventions/protamend_status.pdf
(Stand: 08.08.2010).