Page 156 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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132 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
1. Anwendungsbereich
a) Nach der geltenden Fassung von 1982
aa) Räumlicher Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens
Das Pariser Übereinkommen (PÜ) 5 ist nach seinem Art. 2 auf nukleare Ereignis-
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se und Nuklearschäden, die im Hoheitsgebiet von Nichtvertragsstaaten eintreten,
grundsätzlich nicht anwendbar. Die Vertragsstaaten können allerdings in ihrem
nationalen Recht etwas anderes bestimmen.
Positiv formuliert erstreckt sich der räumliche Anwendungsbereich somit nur
auf das Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten. Dieses umfasst neben dem Festland
der Vertragsstaaten auch den Luftraum darüber und die dazugehörigen Hoheits-
gewässer (Binnengewässer und das Küstenmeer). 5
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Nukleartransporte innerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten werden
also zweifellos vom räumlichen Anwendungsbereich erfasst. Das Pariser Überein-
kommen regelt aber auch die Haftung für die Beförderung von Kernmaterialien in
oder von Nichtvertragsstaaten und stellt dabei auf den Zeitpunkt des Ausladens
der Kernmaterialien aus dem Beförderungsmittel bzw. den Zeitpunkt des Verla-
dens auf das Beförderungsmittel ab. 5 Fraglich ist, ob durch diese Regelung der
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räumliche Anwendungsbereich des Übereinkommens auf das Gebiet eines Nicht-
vertragsstaates erweitert wird, wenn die Kernmaterialien erst im Hoheitsgebiet des
Nichtvertragsstaates ausgeladen bzw. bereits dort verladen werden.
Von einer solchen Erweiterung geht die ältere Literatur aus, nennt jedoch kei-
ne Gründe. 5 Dagegen spricht allerdings der Wortlaut des Artikels 4 PÜ, der die
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Haftung für die Beförderung von Kernmaterialien „unbeschadet des Artikels 2“
regelt, gegen eine Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs. Denn der
Zusatz stellt klar, dass Artikel 4 PÜ unter dem Vorbehalt des Artikels 2 PÜ steht,
welcher die Anwendung auf nukleare Ereignisse und Schäden in Nichtvertrags-
staaten ausschließt. Bereits die alte Fassung des Artikels 4 PÜ von 1960 enthielt
diesen Zusatz.
577 Die Abkürzung PÜ steht immer für das Pariser Übereinkommen in der geltenden Fassung von
1982.
578 Vgl. Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, Art. 23 Rn. 1; Exposé des Motifs, Rn. 7.
Sehr ausführlich zum räumlichen Anwendungsbereich Kissich, S. 177 ff.
579 Art. 4 lit. a) iv) und b) iv) PÜ. Zur Regelung von Nukleartransporten in oder von Drittstaaten
siehe 2. Teil F II 2 a).
580 Fischerhof-Pelzer, Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, 2. Auflage 1978, Art. 4 PÜ,
Rn. 5; Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978, S. 49; Krause-Ablass, Apportioning Liabi-
lity for Transborder Damages, in: Nuclear Energy Law After Chernobyl, 1988, 125 (131).