Page 157 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 133
Überdies bestimmt sowohl die alte als auch die 1982 überarbeitete Fassung der
amtlichen Interpretationshilfe (Exposé des Motifs) ausdrücklich, dass auch in den
in Art. 4 lit. a) iv) und lit. b) iv) PÜ geregelten Fällen der Inhaber nicht nach dem
Pariser Übereinkommen für nukleare Ereignisse im Hoheitsgebiet von Nichtver-
tragsstaaten oder für dort eintretende Schäden haftet. 5 Die geltende Fassung des
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Exposé des Motifs stellt zudem klar, dass die Haftung des versendenden Anlagen-
inhabers an der Grenze zum Hoheitsgebiet des Nichtvertragsstaates endet sowie
im umgekehrten Fall die Haftung des empfangenden Anlageninhabers mit Über-
schreitung der Grenze eines Vertragsstaates beginnt. 5
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Die Regelung in Art. 4 lit. a) iv) und b) iv) PÜ erweitert somit nicht den räum-
lichen Anwendungsbereich. 5 Den Vertragsstaaten ist es jedoch nach Art. 2 PÜ
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unbenommen, in ihrem nationalen Recht einen größeren Anwendungsbereich zu
bestimmen. Solange die Vertragsstaaten aber von dieser Möglichkeit keinen
Gebrauch machen, haftet der Anlageninhaber, der Kernmaterialien in einen Dritt-
staat versendet oder solche aus einem Drittstaat empfängt, nicht nach dem Pariser
Übereinkommen, wenn das nukleare Ereignis oder der Schaden in einem Nicht-
vertragsstaat eintritt.
bb) Räumlicher Anwendungsbereich des Brüsseler Zusatzübereinkommen
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Nach dem Brüsseler Zusatzübereinkommen (BZÜ) 5 werden alle Schäden er-
fasst, für die nach dem Pariser Übereinkommen ein Anlageninhaber haftet und die
im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei oder auf hoher See oder im Luftraum dar-
über an Bord eines in einem Vertragsstaat registrierten Schiffes oder Luftfahr-
zeugs entstanden sind, Art. 2 lit. a) i), ii) 1) und 2) BZÜ.
Sind einem Staatsangehörigen einer Vertragspartei auf hoher See oder im Luft-
raum darüber Schäden entstanden, werden diesem die Schäden ersetzt, im Falle
von Schäden an einem Schiff oder Luftfahrzeug jedoch nur, wenn dieses in einem
Vertragsstaat registriert ist, Art. 2 lit. a) ii) 3) BZÜ. Der Begriff „Staatsangehöri-
ger“ schließt nach Art. 2 lit. c) BZÜ die Vertragsstaaten selbst und alle ihre Ge-
bietskörperschaften sowie öffentliche und private Gesellschaften und Vereinigun-
gen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit ein, sofern sie ihren Sitz im Hoheitsgebiet
einer Vertragspartei haben. Überdies kann jeder Unterzeichner- oder Beitrittsstaat
spätestens bei Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde erklären, dass er natürli-
che Personen, die nach seiner Gesetzgebung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
seinem Hoheitsgebiet haben, oder bestimmte Gruppen solcher Personen seinen
Staatsangehörigen gleichstellt, Art. 2 lit. b) BZÜ.
581 Exposé des Motifs, Rn. 27.
582 Exposé des Motifs, Rn. 28.
583 So auch Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, Art. 4, Rn. 7; Kissich, S. 205 f.
584 Die Abkürzung BZÜ steht immer für das Brüsseler Zusatzübereinkommen in der geltenden
Fassung von 1982.