Page 162 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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138 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
Bei Transporten von einem Vertragsstaat in einen Nichtvertragsstaat haftet
nach Art. 4 lit. a) iv) PÜ der versendende Anlageninhaber bis zum dem Zeitpunkt,
in dem die Kernmaterialien aus dem Beförderungsmittel, mit dem sie in den
Nichtvertragsstaat angekommen sind, ausgeladen worden sind.
Im umgekehrten Fall des Transports von einem Nichtvertragsstaat in das Ho-
heitsgebiet eines Vertragsstaats haftet der empfangende Anlageninhaber, dessen
schriftlicher Zustimmung es überdies bedarf, bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die
Kernmaterialien auf das Beförderungsmittel, mit dem sie aus dem Nichtvertrags-
staat befördert werden sollen, verladen worden sind, Art. 4 lit. b) iv) PÜ. Zu be-
achten ist, dass diese Regelung nicht den räumlichen Anwendungsbereich auf das
Hoheitsgebiet von Nichtvertragsstaaten erweitert. 6
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Ferner gibt Art. 4 lit. d) PÜ den Vertragsstaaten die Möglichkeit, in ihrer Ge-
setzgebung vorzusehen, dass, anstelle der Inhaber der in ihrem Hoheitsgebiet
gelegenen Kernanlagen, ein Beförderer haftet. Über eine solche Haftungsüber-
nahme entscheidet auf Antrag des Beförderers mit Zustimmung des betreffenden
Anlageninhabers die zuständige Behörde. Voraussetzung für die Übernahme der
Haftung durch einen Beförderer ist allerdings, dass dieser eine ausreichende De-
ckung der Haftung durch eine Versicherung oder sonstige finanzielle Sicherheit
vorweisen kann. Tritt der Beförderer an die Stelle des Anlageninhabers, haftet er
wie der Anlageninhaber selbst.
In der Praxis wird von einer solchen Haftungsübernahme nur selten Gebrauch
gemacht, da dem Beförderer in der Regel die finanziellen Mittel für die Deckungs-
vorsorge fehlen. 6 In speziellen Fällen, wie z.B. der Beförderung von Nuklearma-
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terial durch Bahngesellschaften oder Staatsbahnen, macht die Regelung des
Art. 4 lit. d) PÜ jedoch Sinn. 6
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Bis auf die Ausnahme in Art. 4 lit. d) PÜ haftet somit bei Nukleartransporten
grundsätzlich der versendende oder empfangende Anlageninhaber und nicht der
Beförderer. Für diese Entscheidung waren zwei Gründe maßgebend: Zum einen
ist der Beförderer in der Regel nicht in der Lage, die durch den Absender erfolgte
Verpackung zu überprüfen, da ihm das dazu nötige Fachwissen fehlt; zum ande-
ren müsste er sehr hohe Versicherungskosten aufbringen, die wiederum nur zum
Anstieg der Transportkosten für die Anlageninhaber führen würden. 6
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b) Kanalisierung der Haftung
603 Siehe 2. Teil F II 1 a).
604 Pelzer, Liablility for international nuclear transport: an overview, in: Seminar on Nuclear Law and
Liability in Turkey, Ankara, 8-9 September 1999, S. 2; IAEA, Handbook on Nuclear Law, S.
117.
605 Pelzer, Liablility for international nuclear transport: an overview, in: Seminar on Nuclear Law and
Liability in Turkey, Ankara, 8-9 September 1999, S. 2; IAEA, Handbook on Nuclear Law, S.
117.
606 Exposé des Motifs, Rn. 22.