Page 166 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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142                                   2 Teil: Internationale Haftungsregelungen

                           Ferner fallen unter den Begriff der Kernanlage auch alle Reaktoren, Fabriken,
                        Einrichtungen oder Anlagen, die außer Betrieb genommen werden, sowie sonstige
                        Anlagen, in  denen sich  Kernmaterialien befinden und die vom Direktionsaus-
                        schuss für Kernenergie der Organisation jeweils bestimmt werden. Der Kernanla-
                        genbegriff des Pariser Übereinkommens knüpft also  nicht an den Betrieb der
                        Anlagen an, sondern stellt darauf ab, ob diese noch die Gefahr nuklearer Ereignis-
                        se in sich bergen. 6
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                           Der Kernanlagenbegriff des Pariser Übereinkommens gilt auch für das Brüsse-
                        ler Zusatzübereinkommen, 6  allerdings mit der Besonderheit, dass sich letzteres
                                               625
                        nur auf Kernanlagen erstreckt, die in ihren räumlichen Anwendungsbereich fallen
                        und in die nach Art. 13 BZÜ vorgesehene Liste eingetragen sind.


                        cc) Nukleares Ereignis
                        Ein nukleares Ereignis bedeutet nach Art. 1 lit. a) i) PÜ jedes einen Schaden ver-
                        ursachende  Geschehnis oder jede  Reihe  solcher aufeinanderfolgender Gescheh-
                        nisse desselben Ursprungs, sofern das  Geschehnis  oder der Schaden von den
                        radioaktiven Eigenschaften oder einer Verbindung der radioaktiven Eigenschaften
                        mit giftigen, explosiven oder sonstigen gefährlichen Eigenschaften von Kernmate-
                        rialien oder von den von einer anderen Strahlenquelle innerhalb einer Kernanlage
                        ausgehenden ionisierenden Strahlungen herrührt oder sich daraus ergibt. 6
                                                                                     626
                           Erforderlich ist somit nicht ein Unfall im Sinne eines plötzlichen von außen
                        kommenden Ereignisses, es genügt vielmehr schon die Möglichkeit allmählicher
                        radioaktiver Verseuchung oder Strahleneinwirkung. 6  Dabei muss allerdings ein
                                                                     627
                        Kausalzusammenhang zwischen dem  Geschehnis oder dem Schaden und den
                        radioaktiven  bzw. anderen gefährlichen  Eigenschaften der Kernmaterialien oder
                        ionisierender Strahlung bestehen.


                        dd) Kernmaterialien
                        Der Begriff Kernmaterialien bezeichnet Kernbrennstoffe, ausgenommen natürli-
                        ches und abgereichertes  Uran, sowie  radioaktive Erzeugnisse und Abfälle,
                        Art. 1 lit. a) v) PÜ. Diese beiden Begriffe sind wiederum in Art. 1 lit. a) iii) und iv)
                        PÜ legaldefiniert.
                           Danach sind Kernbrennstoffe spaltbare Materialien in Form von Uran als Me-
                        tall, Legierung oder chemischer Verbindung (einschließlich natürlichen Urans),


                        624  Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, Art. 1, Rn. 3.
                        625  Dies ergibt sich aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 BZÜ.
                        626  Eine ausführliche Erläuterung des Begriffs “nukleares Ereignis” findet sich bei Kissich, S. 124 ff.;
                           Siehe auch Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, Art. 1, Rn. 2.
                        627  Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, Art. 1, Rn. 2.
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