Page 171 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 147
Das Protokoll von 2004 erweitert den Begriff des nuklearen Schadens erheblich
und passt das Pariser Übereinkommen dadurch der Fassung des Wiener Überein-
kommens von 1997 an. 6 Die Erweiterung des Schadensbegriffs wird allerdings
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durch eine großzügige Ermächtigung der Vertragsstaaten wieder eingeschränkt.
Denn abgesehen von den Personen- und Sachschäden bleibt es dem Recht des
zuständigen Gerichts ausdrücklich überlassen, in welchem Ausmaß die anderen
genannten Schäden ersetzt werden.
Ferner ist Voraussetzung für den Ersatz der Schäden, dass die eingetreten
Schäden von einer, im Übereinkommen konkretisierten 6 , radioaktiven Strahlung
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ausgelöst worden sind. Diese Voraussetzung gilt jedoch nicht für den Ersatz der
Kosten für Vorsorgemaßnahmen und die daraus entstehenden Folgeschäden. Art,
Form und Umfang des Schadenersatzes sowie dessen gerechte Verteilung
bestimmen sich wie bisher nach dem innerstaatlichen Recht des zuständigen Ge-
richts, mit Ausnahme des Kollisionsrechts, Art. 11 i.V.m. Art. 14 lit. b) PÜ 2004.
(1) Personen- und Sachschäden
Nach Art. 1 lit. a) vii) 1) und 2) PÜ 2004 umfasst der Begriff „nuklearer Schaden“
die Tötung oder Verletzung eines Menschen sowie den Verlust von oder Schaden
an Vermögenswerten. Die Umschreibung von Personen- und Sachschäden ent-
spricht sinngemäß der Fassung von 1982 und bringt keine Neuerung. Auch bleibt
die Haftung für „on-site damages“ (Schäden an der Anlage oder Schäden an Ver-
mögenswerten auf demselben Gelände) weiterhin ausgeschlossen, Art. 3 lit. a) i)
und ii) PÜ 2004. Für den Ersatz von Schäden am Beförderungsmittel gilt nach
dem überarbeiteten Art. 7 lit. c) PÜ 2004, dass diese nur dann ersetzt werden,
wenn dadurch die Entschädigung für andere Schäden nicht unter 80 Millionen
Euro oder unter einem durch die Gesetzgebung einer Vertragspartei festgesetzten
höheren Betrag liegt.
(2) Vermögensfolgeschäden
Ersetzt wird nach Art. 1 lit. a) vii) 3) PÜ 2004 nunmehr auch der wirtschaftliche
Verlust, der durch die erlittenen Personen- und Sachschäden entsteht, aber nicht
von diesen erfasst wird, sofern die betroffene Person auch anspruchsberechtigt ist.
Vermögensfolgeschäden sind somit nach der Neufassung ausdrücklich ersatzfähig.
(3) Umweltschäden
643 Das Wiener Übereinkommen von 1997 enthält in Art. I Abs. 1 lit. k) eine im Wesentlichen gleich-
lautende Begriffsbestimmung des zu ersetzenden nuklearen Schadens.
Die nach Art. 1 lit. a) vii) PÜ 2004 zu ersetzenden Schäden entsprechen zudem weitgehend den
nach der Regulierungspraxis des IOPC Fonds entwickelten Schadenskategorien für Ölver-
schmutzungsschäden, siehe 2. Teil E II 2 e).
644 Art. 1 lit. a) vii) letzter Satz PÜ 2004.