Page 175 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 175
2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 151
schädigungsmittel von bis zu 300 Millionen SZR 6 nach einem dreistufigen Ent-
661
662
schädigungssystem zur Verfügung. 6
Die erste Stufe bildet die Sicherstellung der Anlageninhaberhaftung durch Mit-
tel, die aus einer Versicherung oder sonstigen finanziellen Sicherheit stammen, in
der Höhe, die das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Pariser Überein-
kommen vorsieht, mindestens jedoch 5 Millionen SZR, Art. 3 lit. b) i) BZÜ. Die
zweite Stufe wird durch öffentliche Mittel des Genehmigungsstaates der Anlage
des haftenden Inhabers aufgebracht und zwar in Höhe der Differenz zwischen der
Anlageninhaberhaftung und 175 Millionen SZR, Art. 3 lit. b) ii) BZÜ. Die dritte
Stufe in Höhe der Differenz zwischen 175 Millionen SZR und dem Höchstbetrag
von 300 Millionen SZR, also 125 Millionen SZR, wird schließlich von der Ge-
samtheit der Vertragsstaaten des Brüsseler Zusatzübereinkommens nach dem in
Art. 12 BZÜ geregelten speziellen Beitragsschlüssel zur Verfügung gestellt,
Art. 3 lit. b) iii) BZÜ. Nach dem Beitragsschlüssel bestimmt sich der von den
Vertragsstaaten zu zahlende Beitrag zu 50 % aus dem Anteil des jeweiligen Staates
am gesamten Bruttosozialprodukt aller Vertragsstaaten und zu 50 % aus dem
Anteil der thermischen Leistung 6 der Kernreaktoren des jeweiligen Vertragsstaa-
663
tes an der thermischen Gesamtleistung der in dem Hoheitsgebiet aller Vertrags-
staaten gelegenen Reaktoren. Einzelheiten sind in Art. 12 BZÜ geregelt. Zinsen
und Kosten sind wie im Pariser Übereinkommen nicht in den Haftungshöchstbe-
trag eingeschlossen, Art. 3 lit. f) BZÜ.
Die nach dem Brüsseler Zusatzübereinkommen von den Vertragsstaaten zu
zahlenden Beträge werden erst im Schadensfall eingefordert 6 und nach
664
Art. 9 lit. c) BZÜ auch nur dann, wenn die Sicherstellung des Anlageninhabers
(1. Stufe) zur Befriedigung der Schäden nicht ausreicht, so dass im Gegensatz zu
dem Haftungssystem für Ölverschmutzungsschäden kein Geld im Voraus in einen
internationalen Fonds eingezahlt wird. 6 Allerdings sind die Vertragsparteien in
665
der in Art. 3 lit. c) BZÜ beschriebenen Art und Weise verpflichtet, durch ihr nati-
onales Recht dafür Sorge zu tragen, dass die zusätzlichen Mittel bis zu einem Be-
trag von 300 Millionen SZR zur Verfügung stehen. Danach können sie entweder
die Anlageninhaberhaftung auf 300 Millionen SZR festsetzen und öffentliche
Mitteln als Deckung bereitstellen oder sie stellen bis zu dem Betrag von
300 Millionen SZR öffentliche Mittel unter einem anderen rechtlichen Gesichts-
661 Zur Umrechnung des SZR in die entsprechende Landeswährung Art. 3 lit. g) BZÜ.
662 Art. 2 und 3 BZÜ. Ausführlich zum Entschädigungssystem des BZÜ (allerdings in der ursprüng-
lichen Fassung von 1963) Bette/Didier/Fornasier/Stein, Compensation of Nuclear Damage in
Europe, S. 31.
663 Der Begriff „Thermische Leistung“ wird in Art. 12 lit. b) BZÜ genauer definiert.
664 Dies ergibt sich aus Art. 10 lit. a) BZÜ.
665 Die Idee eines internationalen Fonds, in den die beteiligten Staaten Gelder einzahlen sollten,
wurde aber durchaus diskutiert. Man entschied sich jedoch aufgrund der damit verbundenen
Festlegung großer Summen öffentlicher Gelder dagegen; Gehring/Jachtenfuchs, Haftung und
Umwelt, S. 59.