Page 174 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 174

150                                   2 Teil: Internationale Haftungsregelungen

                        Mehrzahl der Vertragsparteien des  Pariser Übereinkommens durch Verabschie-
                                                                              655
                        dung des Brüsseler Zusatzübereinkommens Gebrauch gemacht. 6
                        Die nach dem Pariser Übereinkommen haftenden Anlageninhaber haften immer
                        nur in Höhe der von ihrem Staat festgesetzten Haftungsbeträge, unabhängig da-
                        von, wo das nukleare Ereignis eintritt, Art. 7 lit. d) PÜ. Diese Vorschrift ist insbe-
                        sondere für den Fall der Beförderung von Kernmaterialien durch mehrere Staaten
                        relevant, da sie zum einen vermeidet,  dass der Inhaber unterschiedlichen Haf-
                                               656
                        tungshöhen ausgesetzt ist, 6   zum anderen gewährleistet sie, dass die Versiche-
                        rungssumme die Haftpflicht des Anlageninhabers auch tatsächlich in jedem Fall
                        vollständig deckt 6 . Die Haftungshöchstsumme für einen Kernmaterialtransport
                                       657
                        hängt somit immer vom Standort der Kernanlage des haftenden Inhabers ab.
                           Die Durchfuhr von Kernmaterialien durch ihr Hoheitsgebiet können die Ver-
                        tragsstaaten nach Art. 7 lit. e) PÜ davon abhängig  machen, dass der Haftungs-
                        höchstbetrag  des haftenden ausländischen Anlageninhabers  bis zum Haftungs-
                        höchstbetrag, der für einen inländischen Anlageninhaber gilt, heraufgesetzt wird.
                        Eine solche Heraufsetzung darf jedoch in den Fällen von völkerrechtlich gewähr-
                        leisteten Durchfahrt-, Überflug- oder Landerechten bei der See- oder Luftbeför-
                        derung nicht völkerrechtswidrig ausgeübt werden, Art. 7 lit. f) PÜ.
                           Für den Fall, dass die Schäden aus einem nuklearen Ereignis die zur Verfü-
                        gung stehenden Entschädigungsmittel übersteigen, sieht das Pariser Überein-
                        kommen keine Privilegierung von Personenschäden vor. Ebenso wenig ist das
                        Recht zur  Beschränkung der Haftung auf den Höchstbetrag an die Errichtung
                        eines Haftungsfonds  geknüpft. 6  Das Verfahren  zur Verteilung der zur Verfü-
                                                   658
                        gung stehenden Entschädigungssummen richtet sich daher nach dem Recht des
                        jeweils zuständigen Gerichts. 6  Ferner sah man aus Angst vor Auslegungsschwie-
                                                 659
                        rigkeiten davon ab, eine Vorschrift über die unbeschränkte Haftung des Anlagen-
                        inhabers für den Fall der absichtlichen Schadensherbeiführung oder bewussten
                        Leichtfertigkeit einzufügen. 6
                                               660


                        bb) Nach der geltenden Fassung des Brüsseler Zusatzübereinkommens
                        Für den Fall, dass ein Ersatzanspruch nach dem Pariser Übereinkommen besteht,
                        stellt das Brüsseler Zusatzübereinkommen für seine Vertragsparteien weitere Ent-




                        655  Ausführlich dazu siehe unten 2.Teil F II 2 g) bb).
                        656  Exposé des Motifs, Rn. 44.
                        657  Kissich, S. 78.
                        658  So im HNS-Übereinkommen, CRDNI-Entwurf und Ölhaftungsübereinkommen.
                        659  Im deutschen Recht gilt nach § 35 Abs. 1 Atomgesetz die Regelung, dass bei einem Unfall das
                           Verteilungsverfahren für den Einzelfall durch Gesetz, und bis zum Erlass eines solchen Geset-
                           zes durch Rechtsverordnung, festgelegt werden soll, siehe 3. Teil A II 1.
                        660  Exposé des Motifs, Rn. 45.
   169   170   171   172   173   174   175   176   177   178   179