Page 176 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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152 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
punkt als dem der Inhaberhaftung zur Verfügung, mit der Voraussetzung, dass die
materiellen und Verfahrensvorschriften des Brüsseler Zusatzübereinkommens
unberührt bleiben.
Für den Fall, dass die Schäden den maximalen Haftungsbetrag übersteigen, ist
die Verteilung der Entschädigungssumme den Vertragsparteien überlassen mit der
Auflage, dass kein Unterschied hinsichtlich der Herkunft der Mittel und hinsicht-
lich der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Aufenthaltes des Geschä-
digten gemacht wird, Art. 8 BZÜ. Im Schadensfall wird die Bereitstellung der
öffentlichen Mittel der zweiten und dritten Stufe von derjenigen Vertragspartei
geregelt, deren Gerichte zuständig sind, Art. 9 lit. a) BZÜ.
Schließlich haben die Vertragsstaaten nach Art. 5 lit. b) BZÜ die Möglichkeit,
in ihrer nationalen Gesetzgebung ein Rückgriffsrecht gegen den haftenden Anla-
geninhaber vorzusehen, falls der Schaden auf einem Verschulden beruht, das die-
sem zugerechnet werden kann. Diese Vorschrift führt wieder ein Verschuldens-
element in das Paris-Brüsseler Haftungssystem ein und steht damit im Wider-
spruch zum allgemeinen Haftungsprinzip der Gefährdungshaftung.
cc) Nach der Neufassung des Pariser Übereinkommens durch das Proto-
koll von 2004
Durch die erhebliche Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs und des
Schadensbegriffs war auch die Erhöhung der zur Verfügung stehenden Haftungs-
summen unumgänglich. 6 In Anlehnung an das Wiener Übereinkommen von
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1997 wurde zudem das Prinzip der summenmäßigen Haftungsbegrenzung aufge-
hoben und stattdessen eine Mindesthaftungssumme eingeführt.
Die Neufassung des Pariser Übereinkommens 2004 sieht nunmehr eine Min-
desthaftung von 700 Millionen Euro 6 für einen durch ein nukleares Ereignis
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verursachten Schaden vor, Art. 7 lit. a) PÜ 2004. Dabei geht diese Summe erheb-
lich über die im revidierten Wiener Übereinkommen von 1997 vorgesehene Min-
desthaftungssumme 6 in Höhe von 300 Millionen SZR hinaus. Diese Mindesthaf-
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tungssumme gilt auch für nukleare Schäden, die durch ein nukleares Ereignis wäh-
rend eines Kernmaterialtransports verursacht werden.
Für die Beförderung von mindergefährlichen Kernmaterialien und für Kernan-
lagen geringeren Risikos können die Vertragsstaaten allerdings nach
Art. 7 lit. b) PÜ 2004 niedrigere Haftungsbeträge festsetzen. Die von den Ver-
tragsstaaten festgesetzten Beträge dürfen jedoch für Beförderungen von minder-
gefährlichen Kernmaterialien 80 Millionen Euro und im Fall der mindergefährli-
chen Anlagen 70 Millionen Euro nicht unterschreiten.
666 Blobel, Natur und Recht 2005, 137 (140).
667 Das Sonderziehungsrecht wurde zudem durch den Euro ersetzt.
668 Art. V Abs. 1 WÜ 1997.