Page 173 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen                          149

                           aa) Nach der geltenden Fassung des Pariser Übereinkommens
                           Nach Art. 7 PÜ darf die gesamte Entschädigung, die für einen durch ein nukleares
                           Ereignis verursachten Schaden zu leisten ist, 15 Millionen SZR 6  nicht überstei-
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                           gen. Die Einführung eines Haftungshöchstbetrags wurde mit versicherungstechni-
                           schen Argumenten begründet. 6
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                              Jede Vertragspartei kann unter Berücksichtigung der Versicherungsmöglichkei-
                           ten des Anlageninhabers und der Art der betreffenden Kernanlage oder Kernma-
                           terialien durch ihre Gesetzgebung einen höheren oder niedrigeren Betrag festset-
                           zen, jedoch auf keinen Fall weniger als 5 Millionen SZR. Die Haftungshöchstbe-
                           träge gelten pro Schadensereignis („nukleares Ereignis“). Zinsen und Kosten, die
                           von  einem Gericht in einem Schadensersatzprozess zugesprochen  werden, sind
                           von dem haftenden Anlageninhaber zusätzlich zu zahlen, Art. 7 lit. g) PÜ.
                              Diese noch aus der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens von 1960
                           stammenden und bei der Revision im Jahre 1982 unverändert gebliebenen Haf-
                           tungshöchstbeträge sind bereits 1972 als völlig unzureichend kritisiert worden. 6
                                                                                               650
                           Aus diesem Grund hat im Jahre 1990 der Direktionsausschuss der Kernenergie-
                           agentur (NEA) der OECD den Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens von
                           1982 empfohlen, die Haftung des Anlageninhabers  auf nicht weniger  als
                           150 Millionen SZR festzusetzen, da für diese Summe eine Versicherungsdeckung
                           am Markt zu erlangen sei; 6  dieser Empfehlung sind bereits mehrere Mitgliedstaa-
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                           ten nachgekommen. 6
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                              Zudem haben die Vertragsstaaten nach Art. 15 PÜ lit. a) PÜ die Möglichkeit,
                           Maßnahmen  zur Erhöhung der im Pariser Übereinkommen vorgesehenen Ent-
                           schädigungssummen zu treffen (z.B. Staatseintritt oder Fondslösung), die unab-
                           hängig vom  Bestehen einer Versicherungsdeckung sind. 6  Soweit  zusätzliche
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                           Schadensersatzleistungen aus öffentlichen Mitteln vorgesehen sind und die Min-
                           destgrenze von 5 Millionen SZR übersteigen, können diese abweichend von den
                           Bestimmungen     des   Pariser  Übereinkommens     ausgezahlt   werden,
                           Art. 15 lit. b) PÜ. 6  Von dieser in Art. 15 PÜ vorgesehenen Möglichkeit hat die
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                           648  Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds.
                           649  Vgl. Exposé des Motifs, Rn. 43.
                           650  Vgl. Pelzer, in: Erstes Deutsches Atomrechts-Symposium vom 7.-8. Dezember 1972, S. 183
                              (191).
                           651  OECD/NEA Doc. NE/M(90)1, in: OECD/NEA, Paris Convention: Decisions, Recommenda-
                              tions, Interpretations, Paris 1990, S. 13.
                           652  Pelzer, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht 2003, § 59, Rn. 13.
                           653  Die Bestimmung des Art. 15 PÜ ist, streng genommen, überflüssig, da es im Pariser Überein-
                              kommen keine Vorschrift gibt, die den Vertragsstaaten verbietet, zusätzliche Entschädigungsleis-
                              tungen bereitzustellen. Im Hinblick auf den Entstehungsprozess des BZÜ ist sie eher als forma-
                              les Zugeständnis an die Staaten (insbesondere Frankreich), die eine staatliche Haftungsübernah-
                              me im PÜ festschreiben wollten, einzuordnen; Gehring/Jachtenfuchs, Haftung und Umwelt, S.
                              58.
                           654  Nach Art. 3 lit. e) BZÜ verpflichten sich jedoch die Vertragsparteien des BZÜ selbst, hinsichtlich
                              der zusätzlichen Entschädigungssummen keine besonderen Bedingungen festzusetzen.
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