Page 159 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 135
nationalen Rechte Rückgriffsrechte der den Versicherungsschutz gewährenden
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Organisationen vorsehen. 5
b) Nach der Neufassung durch die Protokolle von 2004
aa) Räumlicher Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommen
Die Neufassung des Art. 2 PÜ durch das Protokoll von 2004 enthält eine wesent-
liche Ausweitung des räumlichen Anwendungsbereichs, welche anstelle der Nega-
tivformulierung eine etwas komplizierte positive Umschreibung erforderte. 5
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Insbesondere für grenzüberschreitende Nukleartransporte ist die Erweiterung des
Anwendungsbereichs von großer Relevanz, da es künftig auf den Ort des nuklea-
ren Ereignisses kaum mehr ankommt.
Nach Art. 2 lit. a) i) PÜ 2004 gilt das Übereinkommen für nukleare Schäden,
die im Hoheitsgebiet oder in nach dem Völkerrecht festgelegten Meereszonen
einer Vertragspartei eintreten. Somit erstreckt sich der räumliche Anwendungsbe-
reich nunmehr nicht nur auf die Küstengewässer, sondern auch auf die daran
anschließenden Meereszonen. Die Meereszonen müssen allerdings proklamiert
worden sein, andernfalls gilt der Meeresraum als „Hohe See“. 5
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Art. 2 lit. a) ii) PÜ 2004 stellt klar, dass das Pariser Übereinkommen auch für
nukleare Schäden gilt, die im Hoheitsgebiet einschließlich der Meereszonen einer
Vertragspartei des Wiener Übereinkommens eingetreten sind, vorausgesetzt, dass
sowohl dieser Staat als auch der Anlagestaat Vertragsparteien des Gemeinsamen
Protokolls sind.
Für Nichtvertragsstaaten, die im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses selbst
keine Kernanlage besitzen, bringt Art. 2 lit. a) iii) PÜ 2004 eine echte Neuerung.
Denn das Übereinkommen gilt nun auch für dort eintretende Schäden. Dies ist
insbesondere für die Staaten interessant, die an Staaten mit Kernanlagen angren-
zen, wie z.B. Österreich und Irland. 5
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Ferner erstreckt sich der Anwendungsbereich nach Art. 2 lit. a) iv) PÜ 2004
auch auf Schäden, die in „sonstigen Nichtvertragsstaaten“ eintreten. Vorausset-
zung ist allerdings, dass das Atomhaftungsrecht des Nichtvertragsstaates zum
Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses gleichwertige Leistungen auf der Grundlage
594 Pelzer, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht 2003, § 59 Rn. 20.
595 Ausführlich zum räumlichen Anwendungsbereich des Pariser Übereinkommens 2004 Kissich,
S. 243, 256, 274 ff.
596 Kissich, S. 256.
597 Blobel, Natur und Recht 2005, 137 (139). Mit dieser Neuregelung wird nun endlich die Forde-
rung Pelzers, auch für Nachbarstaaten einen angemessenen haftungsrechtlichen Schutz bereit-
zuhalten, erfüllt. Vgl. Pelzer, Die internationalen Atomhaftungsübereinkommen und das deut-
sche Recht, S. 183-199 in: Erstes Deutsches Atomrechts-Symposium vom 7./8. Dezember 1972,
hrsg. von Rudolf Lukes, Köln, Berlin, Bonn, München 1973.