Page 217 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 217
3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 193
Im Gegensatz zu den speziellen Haftungsvorschriften für den Landfrachtverkehr
kennt das Binnenschifffahrtsrecht keine Gefährdungshaftung für Drittschäden,
die durch den Betrieb eines Binnenschiffes verursacht werden. Dementsprechend
sind beim Transport gefährlicher Güter mit Binnenschiffen grundsätzlich die all-
gemeinen bürgerlich-rechtlichen Haftungsvorschriften anzuwenden. 8 Als Haf-
879
tungsadressaten kommen alle Personen in Betracht, die mit dem Transport in
Berührung kommen, wie z.B. der Schiffseigner, der Schiffsführer, die Schiffsbe-
satzung sowie der Absender oder Empfänger der Ladung, die bei eigenem Ver-
schulden nach §§ 823 ff. BGB grundsätzlich unbeschränkt haften. 8
880
Für den Schiffseigner bestimmt § 3 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die privat-
rechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (BinSchG) eine zusätzliche (adjek-
tizische) Haftung. 8 Denn nach § 3 Abs. 1 BinSchG ist der Schiffseigner für den
881
Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord
tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft
zufügt. Voraussetzung für die Haftung nach § 3 BinSchG ist nicht nur ein Ver-
schulden eines Besatzungsmitglieds, sondern das Bestehen eines Anspruchs gegen
diesen aufgrund seines Verschuldens. 8 Der Schiffseigner haftet also für fremdes
882
883
Verschulden und dementsprechend ohne Exkulpationsmöglichkeit. 8 Mit der
zusätzlichen, gesamtschuldnerischen Haftung des Schiffseigners zu der des Besat-
zungsmitglieds wollte man dem Geschädigten einen zahlungskräftigen Zweit-
schuldner verschaffen. 8 Für eigenes Verschulden haftet der Schiffseigner weiter-
884
hin nach §§ 823 ff. BGB. 8
885
Schiffseigner ist nach der Legaldefinition in § 1 BinSchG der Eigentümer eines
zur Schifffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern bestimmten und hier-
zu von ihm verwendeten Schiffes. Außerdem wird nach § 2 Abs. 1 BinSchG auch
derjenige, der ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet und
es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, Dritten ge-
genüber als Schiffseigner angesehen. Dieser sogenannte Ausrüster haftet folglich
auch nach § 3 Abs. 1 BinSchG.
Zur Schiffsbesatzung gehören neben dem Schiffer 8 und der Schiffsmann-
886
schaft 8 auch alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen,
887
§ 3 Abs. 2 BinSchG. Ebenso zählt der Vertragslotse zur Schiffsbesatzung, nicht
879 Zur Haftung nach §§ 823 ff. BGB siehe 3. Teil A IV.
880 Zur Beschränkung der Haftung siehe 3. Teil A I 4 b).
881 BGHZ 26, 152 (157f.); Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, § 3 BinSchG Rn. 2.
882 BGHZ 26, 152 (157); Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, § 3 BinSchG Rn. 2.
883 Bauer, in: FS für Stimpel, S. 979 (980).
884 BGHZ 26, 152 (157f.).
885 Vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, § 3 BinSchG Rn. 7.
886 Nach § 7 Abs. 1 BinSchG ist der Schiffer der Führer des Schiffes.
887 Der Begriff der Schiffsmannschaft wird in § 21 Abs. 1 BinSchG ausführlich bestimmt.