Page 221 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 197
von der ersten Alternative Gebrauch gemacht, finden die Vorschriften über das
Binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren (§§ 34 ff. SVertO) Anwendung.
Danach vollzieht sich die Haftungsbeschränkung in der Weise, dass der
Schuldner bei einem Gericht die Festsetzung der Haftungssumme beantragt, nach
deren Einzahlung das Gericht das Verfahren eröffnet. Mit Eröffnung des Vertei-
lungsverfahrens werden Zivilprozesse und Zwangsvollstreckungen wegen der
Ansprüche, für die die Haftung beschränkt werden kann, unzulässig. Die Gläubi-
ger werden nach dem Aufgebot in einem konkursähnlichen Verfahren befriedigt.
Nach § 5b Abs. 3 BinSchG kann das Recht zur Haftungsbeschränkung
schließlich auch – ohne Errichtung eines Fonds – im Wege der Einrede geltend
gemacht werden. Die geltend gemachte Einrede entfaltet jedoch nur Wirkung
zugunsten des die Einrede erhebenden Schuldners, nicht aber zugunsten anderer
Schuldner. Die Vorschriften der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung sind
entsprechend anzuwenden.
cc) Unbeschränkte Haftung
Ausnahmsweise haftet der Schiffseigner nach § 5 b Abs. 1 BinSchG unbeschränkt,
wenn er den Schaden selbst absichtlich oder bewusst leichtfertig herbeigeführt
hat. 8 Das Verschulden eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen des Schiffs-
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eigners genügt dagegen – anders als nach der entsprechenden Regelung in der
CRTD - nicht, um diesem das Privileg der Haftungsbeschränkung zu nehmen. 8
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c) Versicherungssituation
Da das Binnenschifffahrtsrecht keine Gefährdungshaftung für Drittschäden
kennt, besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, derartige Schäden zu versi-
chern.
Auf dem Versicherungsmarkt gibt es bislang keine Versicherung, die Versiche-
rungsschutz speziell für die Haftung beim Transport gefährlicher Güter anbie-
tet. 8 Im Rahmen der Flusskaskoversicherung erhält der Binnenschiffseigner
900
lediglich Versicherungsschutz für Sachschäden Dritter, die durch unmittelbare
navigatorische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Schiffsver-
kehr verursacht worden sind. 9 Davon ausdrücklich ausgenommen sind jedoch
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898 Die aus Art. 4 CLNI übernommenen Begriffe „Absicht“ und „bewusste Leichtfertigkeit“ ent-
sprechen den Begriffen „Vorsatz“ und „bewusste grobe Fahrlässigkeit“, vgl. BT-Drucks.
13/8446, S. 24.
899 BT-Drucks. 13/8446, S. 24.
900 Vgl. Brunn, DVWG B 149, S. 138 (140 ff.); vgl. Fischer, Zeitschrift für Binnenschiffahrt und
Wasserstraßen (ZfB) 2004 (Nr. 5), S. 55.
901 Personenschäden Ziffer 4.1 der „Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Flusskasko-
Risiken 2000“ (AVB Flusskasko 2000).