Page 223 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 199
sie nur auf allgemeinen Vorschriften gründen oder unmittelbar gegen ein Besat-
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zungsmitglied erhoben werden, das nicht selbst Schiffseigner ist. 9
5. Haftung nach dem Seeschifffahrtsrecht
a) Haftungssituation
Das Seeschifffahrtsrecht enthält ebenso wie das Binnenschifffahrtsrecht keine
Bestimmung, die eine Gefährdungshaftung für durch den Betrieb eines Seeschif-
fes verursachte Drittschäden vorsieht. Einzige Ausnahme bilden die Haftungs-
und Entschädigungsvorschriften für Ölverschmutzungsschäden nach dem Ölhaf-
tungs- und Fondsübereinkommen von 1992 sowie dem Zusatzfondsüberein-
kommen von 2003, deren Bestimmungen auch in Deutschland gelten. 9
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Somit wird für Drittschäden durch Gefahrguttransporte auf See grundsätzlich
nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Haftungsvorschriften gehaftet. 9
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Daneben haftet der Reeder nach § 485 S. 1 HGB für Schäden, welche eine
Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse Dritten in Ausführung
von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Reeder ist nach der Legaldefinition in
§ 484 HGB der Eigentümer eines ihm zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden
Schiffes. Die Haftung des Reeders nach § 485 S. 1 HGB ist wie die Haftung des
Binnenschiffseigners nach § 3 BinSchG eine zusätzliche (adjektizische) Haf-
tung. 9
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Sie setzt also voraus, dass das schuldige Besatzungsmitglied selbst aufgrund
anderer Bestimmungen (insbesondere §§ 511 ff. HGB und §§ 823 ff. BGB) dem
geschädigten Dritten haftet. 9 Reeder und Besatzungsmitglied haften als Gesamt-
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schuldner. 9 Der Reeder steht also – anders als nach der Zurechnungsnorm des
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§ 831 BGB – für fremdes Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit ein. 9 Dabei
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908 AG Mainz – Schiffahrtsgericht, Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen (ZfB) 2000
(Nr. 1), S. 76.
909 Siehe § 1 Abs. 1 Ölschadengesetz (ÖlSG). Ergänzend zu den Bestimmungen des Ölhaftungs-
übereinkommen von 1992 gelten die §§ 486 Abs. 2 bis 5, 487d und 487e HGB, die Regelungen
des Ölschadengesetz (ÖlSG) vom 30. September 1988 (BGBl. 1988 I, S. 1770 ff.; zuletzt geän-
dert in BGBl. 2006 I, S. 1461 ff., 2407 (2415)), die Ölhaftungsbescheinigungs-Verordnung (Öl-
HaftBeschV, BGBl. 1996 I, S. 707 f.; zuletzt geändert in BGBl. 2002 I, S. 3322 (3339) und
BGBl. 2006 I, S. 1461 (1462)), die Ölmeldeverordnung (ÖlmeldeV, BGBl. 1996 I, S. 812; zuletzt
geändert in BGBl. 2000 I, S. 1956 (1963)) und die Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung
(SVertO, BGBl. 1999 I, S. 530 ff., berichtigt in BGBl. 2000 I, S. 149 und zuletzt geändert in
BGBl. 2005 I, S. 837 (852)).
910 Herber, Seehandelsrecht, S. 185; zur Haftung nach §§ 823 ff. BGB siehe 3. Teil A IV.
911 Rabe, Seehandelsrecht, § 485 HGB Rn. 3 und 42; BGHZ 26, 152 (158).
912 Rabe, Seehandelsrecht, § 485 HGB Rn. 42; Herber, Seehandelsrecht, S. 203 f.
913 BGHZ 26, 152 (158); Herber, Seehandelsrecht, S. 203 f.
914 Herber, Seehandelsrecht, S. 182.