Page 225 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 201
Mit Inkrafttreten des Protokolls von 1996 wurden zum einen die im Haf-
tungsbeschränkungs-übereinkommen von 1976 festgesetzten Haftungshöchstbe-
träge deutlich angehoben; zum anderen sieht das Protokoll in seinem Art. 8 ein
vereinfachtes Verfahren zur Änderung der Haftungshöchstbeträge vor. 9 Dabei
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gilt im Seeschifffahrtsrecht – anders als im Binnenschifffahrtsrecht – bereits seit
dem Ersten Seerechtsänderungsgesetz (1. SRÄG) von 1972, welches das „Brüsse-
ler Haftungsbeschränkungsübereinkommen von 1957“ in das HGB einarbeitete,
das Summenhaftungssystem. 9 Eine Bestimmung mit speziellen Haftungshöchst-
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beträgen für Gefahrguttransportschäden, wie sie das nunmehr reformierte Bin-
nenschifffahrtsrecht vorsieht, enthält das Haftungsbeschränkungs-
übereinkommen in der Fassung des Protokolls von 1996 dagegen nicht.
Nach § 7 Abs. 2 EGHGB unterliegen sämtliche privatrechtlichen und öffent-
lich-rechtlichen Ansprüche der Haftungsbeschränkung nach den §§ 486 –
487e HGB.
aa) Beschränkbare Ansprüche
Welche Ansprüche der Haftungsbeschränkung unterliegen, bestimmt Art. 2 HBÜ.
Im Hinblick auf den Transport gefährlicher Güter mit Seeschiffen kommen da-
nach insbesondere Ansprüche Dritter wegen Personen- oder Sachschäden in Be-
tracht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes oder
mit Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten eintreten, sowie Ansprüche wegen dar-
aus entstehender weiterer Schäden (Folgeschäden), Art. 2 Abs. 1 lit. a) HBÜ.
Die genannten Schäden müssen alle „in unmittelbarem Zusammenhang mit
dem Betrieb des Schiffes oder mit Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten“ eintre-
ten, nicht aber notwendig durch diese verursacht sein. 9 Dabei ist unter „Betrieb
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des Schiffes“ der technische Einsatz des Schiffes zu verstehen – ähnlich dem „Be-
trieb“ i.S.d StVG und HaftpflG –, nicht dagegen seine wirtschaftliche Verwen-
dung. 9 Es werden also nur Gefahren erfasst, die dem Einsatz eines Seeschiffes
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zu Eigen sind. Darunter fallen auch Schäden, die beim Be- und Entladen eintre-
ten. 9 Ein unmittelbarer Zusammenhang des Schadens mit dem Betrieb des
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Schiffes ist dagegen zu verneinen, wenn Güter, die bereits gelöscht aber noch
nicht ausgeliefert worden sind, in einem Schuppen lagern und durch einen Brand
vernichtet werden. 9
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Der Haftungsbeschränkung unterliegen nach Art. 2 Abs. 1 lit. c) HBÜ ferner
Ansprüche wegen sonstiger Schäden, die sich aus der Verletzung nichtvertragli-
926 Siehe auch die Denkschrift zum Protokoll von 1996 in BT-Drucks. 14/2696, S. 15 ff.
927 Herber, Seehandelsrecht, S. 209; Rabe, Seehandelsrecht, vor § 484 HGB Rn. 12 f.
928 Herber, Seehandelsrecht, S. 212.
929 Herber, Seehandelsrecht, S. 212; Herber, Das neue Haftungsrecht der Schiffahrt, 60; ausführlich
Rabe, Seehandelsrecht, Art. 2 HBÜ Rn. 5.
930 Denkschrift zum Haftungsbeschränkungsübereinkommen von 1976, BT-Drucks. 10/3553, S. 22
(24); Herber, Das neue Haftungsrecht der Schiffahrt, 61.
931 Rabe, Seehandelsrecht, Art. 2 HBÜ Rn. 5.