Page 237 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen                                213

                              Bei Nukleartransporten  kommt  als Haftungsgrundlage  somit nur Art. 4 PÜ
                           i.V.m. § 25 AtG oder Art. 4 PÜ i.V.m. § 26 AtG in Betracht. Während § 25 AtG
                           die Fälle betrifft, in denen der Schaden auf einem von einer Kernanlage ausgehen-
                           den nuklearen Ereignis beruht, erfasst § 26 AtG alle sonstigen Fälle eines Strah-
                           lenschadens, die nicht einer Kernanlage zuzurechnen sind, und dient insoweit als
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                           „Auffangtatbestand“ 9 . Im Folgenden beschränkt sich die Darstellung auf Ergän-
                           zungen und  Abweichungen von den  Bestimmungen des Pariser  Übereinkom-
                           mens. 9
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                           1. Haftung nach Art. 4 Pariser Übereinkommen i.V.m. § 25 AtG
                           Hinsichtlich des Anwendungsbereichs hat Deutschland einen Vorbehalt eingelegt.
                           Nach  § 25 Abs. 4 AtG  findet  Art. 2 PÜ keine Anwendung; der Anlageninhaber
                           haftet vielmehr unabhängig vom Ort des Schadenseintritts.
                              Grundsätzlich haftet  allein der Inhaber der Kernanlage (Kanalisierung der
                           Haftung). Allerdings wurde in § 25 Abs. 2 AtG von der in Art. 4 lit. d) PÜ vorge-
                           sehenen Möglichkeit, dass der Beförderer anstelle des Anlageninhabers durch
                           vertragliche Haftungsübernahme haftet,  Gebrauch  gemacht. 9  Ausnahmsweise
                                                                                 978
                           kann also auch der Beförderer haftpflichtig werden.
                              Überdies hat  Deutschland einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Art. 9 PÜ er-
                           klärt, der den Ausschluss der Haftung für bestimmte Fälle von höherer Gewalt
                           vorsieht. 9  Nach Art. 25 Abs. 3 AtG ist Art. 9 PÜ nicht anzuwenden, so dass der
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                           Anlageninhaber auch in diesen Fällen haftpflichtig ist, ebenso wie für Terrorschä-
                           den 9 . Tritt der Schaden jedoch in einem anderen Staat als Deutschland ein, gilt
                              980
                           diese Haftung des Inhabers nur, soweit der andere Staat zum Zeitpunkt des nukle-
                           aren Ereignisses im Verhältnis zu Deutschland eine nach Art, Ausmaß und Höhe
                           gleichwertige Regelung sichergestellt hat, Art. 25 Abs. 3 S. 2 AtG. Bei mitwirken-
                           dem Verschulden des Verletzten selbst oder desjenigen, der die tatsächliche Ge-
                           walt über die beschädigte Sache ausübt, gilt nach § 27 AtG § 254 BGB.
                              Hinsichtlich des Haftungsumfangs überlässt das Pariser Übereinkommen Art,
                           Form und Umfang des Schadenersatzes dem innerstaatlichen Recht, Art. 11 PÜ.
                           Die  §§ 28-30 AtG füllen diese Regelungslücke für Personenschäden. Dabei leh-
                           nen sich die §§ 28-30 AtG z.T.  wörtlich  an  die  §§ 10, 11, 13 StVG,
                           §§ 5, 6, 8 HaftpflG und §§ 35, 36, 38 LuftVG an. Für die Anwendung der §§ 28-

                           976  Fischerhof, Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, § 26 AtG Rn. 1.
                           977  Zur Haftung für Nukleartransporte nach Art. 4 PÜ bereits ausführlich unter 2. Teil F II.
                           978  Ein solcher Vertrag bedarf nach § 25 Abs. 2 AtG der Schriftform und ist vor Beginn der Beför-
                              derung oder der damit zusammenhängenden Lagerung von der zuständigen Behörde zu geneh-
                              migen.
                           979  Zu den Gründen des Vorbehaltes siehe BT-Drucks. 7/2183, S. 23; Haedrich, Atomgesetz mit
                              Pariser Übereinkommen, Art. 9 PÜ Rn. 2.
                           980  Dazu bereits unter 2. Teil F II 2 e) aa); Ausführlich auch Horbach/Brown/Vanden Borre, in:
                              Journal of Energy & Natural Resources Law, Vol. 20, 2002, 231 (250 ff.).
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