Page 241 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 217
Die Haftung des Absenders nach § 26 AtG entspricht im Wesentlichen der
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Haftung des Anlageninhabers nach § 25 AtG. 9 Einen entscheidenden Unter-
schied sieht allerdings § 26 Abs. 1 S. 2 AtG vor, nach dem die Ersatzpflicht des
Besitzers nicht eintritt, wenn der Schaden durch ein Ereignis verursacht wird, das
auch bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt nicht vermie-
den werden konnte und das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit der
Schutzeinrichtungen noch auf einem Versagen ihrer Verrichtungen beruht. Bei der
Haftung nach § 26 AtG handelt es sich also um eine eingeschränkte („modifizier-
te“) Gefährdungshaftung. 9
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Ferner sieht § 26 Abs. 7 AtG eine Ausnahme von der Kanalisierung der Haf-
tung vor. Eine weitergehende Haftung des Absenders nach sonstigen Haftungs-
vorschriften (insbesondere §§ 823 ff. BGB, § 7 StVG, § 1 HaftpflG, § 22 WHG)
ist danach möglich. Neben dem Absender haftet im Falle der Beförderung auch
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der Beförderer nach allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsvorschriften. 9
Der Absender muss ausreichende Deckungsvorsorge erbringen oder durch ei-
nen anderen erbringen lassen, § 13 Abs. 2 Nr. 2 AtG, § 4 Abs. 2 AtDeckV. Eine
Freistellung durch den Staat gibt es nicht.
III. Umweltrechtliche Haftungsvorschriften
1. Haftung nach § 22 WHG
§ 22 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) normiert zwei selbständige Haftungstatbe-
stände für Gewässerverunreinigungen: Die Haftung für bestimmte Handlungen
nach § 22 Abs. 1 WHG und die Anlagenhaftung nach § 22 Abs. 2 WHG.
Beim Transport gefährlicher Güter kommen für alle Verkehrsträger sowohl
die Verhaltenshaftung als auch die Anlagenhaftung in Betracht. Denn § 22 WHG
dient dem umfassenden Schutz der Gewässer und normiert zu diesem Zweck eine
Haftung für Änderungen der Beschaffenheit des Wassers ohne Verschulden (Ge-
fährdungshaftung), die nicht auf eine spezifische Betriebsgefahr abstellt. 9 Beide
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Haftungstatbestände des § 22 WHG können nebeneinander zur Anwendung
kommen. 9 Die Haftung nach § 22 WHG gilt für alle Gewässer i.S.d.
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994 § 26 Abs. 1 S. 1 AtG verweist ausdrücklich auf die §§ 27-30, § 31 Abs. 3, § 32 Abs. 1, 4 und 5
sowie auf § 33 AtG.
995 Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, § 26 AtG Rn. 3.
996 Haedrich, Atomgesetz mit Pariser Übereinkommen, § 26 AtG Rn. 8.
997 BGHZ 62, 351 (359); 103, 129 (135); 124, 394 (397); Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushalts-
gesetz, § 22 WHG Rn. 4; BGHZ 55, 180 (183); 57, 257 (258); Breuer, Wasserrecht, Rn. 1095;
Bremer, S. 285 f.
998 BGHZ 57, 170 (173); BGH NJW 1986, 2312 (2313); vgl. BGHZ 124, 394 (397); Breuer, Wasser-
recht, Rn. 1101 m.w.N.