Page 245 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 245
3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 221
Der Haftungsumfang der Anlagenhaftung ist also erheblich weiter im Ver-
gleich zum normalen Haftungsumfang für Drittschäden beim Transport gefährli-
cher Güter, der sich grundsätzlich auf Personen- und Sachschäden beschränkt.
Die Schäden müssen allerdings einem Individuum zugeordnet werden können,
1023
denn § 22 Abs. 2 WHG spricht von „einem anderen entstehenden Schaden“. 1
Reine Umweltschäden sind somit nicht ersatzfähig.
Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmen sich nach
1024 Der Geschädigte ist also so zu stellen, wie er ohne das schädi-
§§ 249 ff. BGB. 1
gende Ereignis stünde. Seit Inkrafttreten des Zweiten Schadensrechtsänderungs-
1025 kann nun auch im Falle der Haftung nach § 22 WHG
gesetzes vom 19.07.2002 1
1026
ein Anspruch auf Schmerzensgeld erhoben werden. 1
Im Rahmen der Haftungsbegründung – Veränderung der Wasserbeschaffen-
heit durch die aus der Anlage ausgetretenen Stoffe – muss ferner ein adäquat kau-
saler Zusammenhang bestehen, ebenso wie zwischen der Wasserbeschaffenheits-
1027 Besondere Schwierigkeiten
veränderung und dem geltend gemachten Schaden. 1
können sich dabei für den Geschädigten ergeben, der zum Nachweis der Kausali-
1028 Deshalb wird zum einen erwogen, die Ursachenvermutung
tät verpflichtet ist. 1
der §§ 6 und 7 UmweltHG – als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens –
auf die Haftung nach § 22 WHG wegen der Ähnlichkeit und Überschneidungen
der beiden Haftungstatbestände entsprechend anzuwenden, zum anderen sollen
1029
die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten. 1
Kann eine Fehlerquelle nicht eindeutig ermittelt werden und kommen mehrere
Anlageninhaber als Haftpflichtige in Betracht, greift § 22 Abs. 1 S. 2 WHG zu-
gunsten des Geschädigten ein, der nach § 22 Abs. 2 S. 1 HS 2 WHG ausdrücklich
auch für die Anlagenhaftung gilt. Danach haften alle beteiligten Anlageninhaber
als Gesamtschuldner, so dass es dem Geschädigten erspart bleibt, über den
Nachweis einer gefährlichen Wasserveränderung durch die ausgetretenen Stoffe
hinaus noch den Nachweis dafür zu führen, dass die einzelne Einwirkung des in
Anspruch genommenen Anlageninhabers tatsächlich ursächlich für den eingetre-
tenen Schaden war.
1023 Vgl. Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 29.
1024 Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 29; OLG Düsseldorf ZfW 1996,
549 (553).
1025 BGBl. 2002 I, S. 2674 ff.
1026 Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 7; Breuer, Wasserrecht, Rn. 1129.
1027 Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 53, 27; Breuer, Wasserrecht,
Rn. 1154, 1120.
1028 Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 53, 27; Breuer, Wasserrecht,
Rn. 1121.
1029 Breuer, Wasserrecht, Rn. 1121 m.w.N.; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22
WHG Rn. 53, 27.