Page 250 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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226 3.Teil: Nationale Haftungsregelungen
1052 geschaffen. Verletzt der Gefahrgutbeauftragte die ihm nach
12.12.1989 1
§ 1c Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 GbV obliegenden Kontroll- und Anzeigepflichten
1053 Mehrere Verant-
insbesondere durch Unterlassen, haftet er nach § 823 BGB. 1
wortliche haften nach §§ 840, 421 ff. BGB als Gesamtschuldner.
Die Verletzung von Sorgfaltspflichten und Sicherheitsstandards (Verkehrs-
sicherungspflichten), welche zu einer Schädigung der in § 823 Abs. 1 BGB ge-
nannten Rechtsgüter führt, kann ebenfalls zum Schadensersatz nach § 823 BGB
1054 Die Rechtsprechung hat das Institut der Verkehrssicherungs-
verpflichten. 1
pflichten entwickelt, um insbesondere den haftungsbegründenden Tatbestand
durch Unterlassen deliktsrechtlich zu erfassen, ebenso wie mittelbare Schäden, die
nicht sofort, sondern erst am Ende einer mehr oder weniger langen Kausalkette
1055 Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken,
stehen. 1
dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage für
Rechtsgüter Dritter schafft (z.B. durch Eröffnung eines Verkehrs, Errichtung
einer Anlage oder Übernahme einer Tätigkeit), die Pflicht hat, die erforderlichen
und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen Dritter möglichst zu
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verhindern. 1
Im Zusammenhang mit Gefahrguttransporten können folgende Fallgruppen
von Verkehrssicherungspflichten eine Rolle spielen: Die Beherrschung eines
Sachbereichs (während des Transports hat bspw. der Fahrzeugführer die tatsächli-
che Herrschaft über die Gefahrgüter), die Schaffung einer besonderen Gefahren-
lage, das Inverkehrbringen (gefährlicher) Sachen und Pflichten, die sich aus der
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beruflichen Stellung ergeben. 1
Die Verletzung der nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter oder Ver-
kehrspflichten ist im Rahmen von Gefahrguttransportunfällen regelmäßig rechts-
1058 Der Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB setzt ferner vor-
widrig. 1
sätzliches oder fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 276 BGB voraus. Beim Transport
gefährlicher Güter kommt insbesondere ein Verschulden durch fahrlässiges Ver-
halten in Betracht, welches vorliegt, wenn die im Verkehr erforderliche aufgrund
der Gefährlichkeit der Güter erheblich gesteigerte Sorgfalt nicht beachtet wurde.
1052 BGBl. 1989 I, S. 2185 ff.; neugefasst in BGBl. 1998 I, S. 648 ff., zuletzt geändert durch Art. 481
in BGBl. 2006 I, S. 2407 (2468).
1053 Zur Haftung des Gefahrgutbeauftragten siehe Dörner, TranspR 1992, 121 ff.; Salje, TranspR
1998, 5 (6 ff.).
1054 Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 45 ff.
1055 Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 45, 26; MüKo/Mertens, BGB, § 823 Rn. 2; zur historischen
Entwicklung Bar, JZ 1979, 332 ff.
1056 Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 46; BGHZ 121, 368 (375); BGH VersR 2006, 803; BGH NJW-
RR 2003, 1459 m.w.N.
1057 Siehe dazu die Ausführungen von Stör, S. 48 ff. Einige diesbezügliche Beispielsfälle aus der
Rechtsprechung finden sich bei Bremer, S. 37 ff. Zu den Fallgruppen allgemein Mü-
Ko/Mertens, BGB, § 823 Rn. 211 ff.
1058 Zur Bedeutung der Streitfrage nach dem Wesen des Unrechts (Handlungs- oder Erfolgsunrecht)
im Rahmen der deliktischen Haftung siehe Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 606.