Page 253 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 229
1076 Die konkreten Verhaltenspflichten der
können und daher zu schützen sind. 1
Gefahrgutverordnungen weisen daher in Verbindung mit § 2 GGBefG zumindest
auch individualschützenden Charakter auf. Dass die Normen in erster Linie dazu
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bestimmt sind das Allgemeininteresse zu schützen, schadet nicht. 1
Auch Schünemann schließt den Schutzgesetzcharakter dieser Normen nicht
konsequent aus, beschränkt den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB
1078 Richtig ist, dass im Einzel-
aber auf unmittelbare Personen- und Sachschäden. 1
fall stets geprüft werden muss, ob eine konkrete Verhaltenspflicht verletzt wurde
und sich auch gerade die Gefahr, der die Vorschrift vorbeugen wollte, verwirklicht
hat (sachlicher Schutzbereich). Zudem muss der Geschädigte zu dem von der
Norm geschützten Personenkreis gehören (persönlicher Schutzbereich). Bei den
Gefahrgutverordnungen ist jede Person, deren Rechtsgüter und Rechte durch den
Gefahrguttransport bedroht werden könnten – praktisch also jedermann – in den
Schutzbereich einbezogen. Ferner können nur individualisierte Schäden einbezo-
gen werden, nicht dagegen Schäden an ökologischen Gütern, die der Allgemein-
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heit zugeordnet werden müssen. 1
Den nationalen Gefahrgutverordnungen stehen auf internationaler Ebene die
1080 1081 für den Eisenbahn-
Regelungen des ADR 1 für den Straßenverkehr, des RID 1
1082 1083 für die Binnenschifffahrt sowie des
verkehrs, des ADN 1 und ADNR 1
1084 1085 für die Seeschifffahrt gegenüber, die allerdings
IMDG-Code 1 und ISM Code 1
größtenteils in die jeweiligen Gefahrgutverordnungen eingearbeitet worden sind
oder auf welche verwiesen wird. Insgesamt gelten für die Beurteilung ihres
Schutzgesetzcharakters die oben gemachten Ausführungen.
Im Luftverkehr, für den es eine spezielle Gefahrgutverordnung bisher nicht
1086 können sich konkrete Verhaltenspflichten mit individualschützendem
gibt, 1
Charakter aus nationalen Zulassungs-, Betriebs- und Verkehrsvorschriften nach
1076 Siehe auch Dörner, TranspR 1992, 121 (124).
1077 Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 57; BGH NJW 1992, 241 (242).
1078 Schünemann, TranspR 1992, 53 (56); im Ergebnis ebenso Dörner, TranspR 1992, 121 (124).
1079 Dazu Bremer, S. 79 ff.; Schünemann, TranspR 1992, 53 (56).
1080 Europäisches Übereinkommen vom 30.09.1957 über die internationale Beförderung gefährlicher
Güter auf der Straße (BGBl. 1969 II, S. 1489 ff).
1081 Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Anlage C zum Über-
einkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr – COTIF) vom 09.05.1980 (BGBl.
1985 II, S. 130 ff., 666, Neufassung BGBl. 2002 II, 2140 ff., 2256 f.).
1082 Entwurf eines Europäischen Übereinkommens über die Beförderung gefährlicher Güter auf
Binnenwasserstraßen.
1083 Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein (ADNR) (BGBl. 1971 I,
S. 1851 ff., Neufassung BGBl. 2003 II, S. 648).
1084 International Maritime Dangerous Goods Code - Internationaler Code für die Beförderung
gefährlicher Güter mit Seeschiffen.
1085 International Safety Management Code (vollständig: International Management Code for the
Safe Operation of Ships and for Pollution Prevention).
1086 Eine Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter im Luftverkehr (GGVL) ist jedoch in
Vorbereitung.