Page 242 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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218                                      3.Teil: Nationale  Haftungsregelungen

                        § 1 Abs. 1 WHG, also für oberirdische Gewässer ebenso wie für Küstengewässer
                        und das Grundwasser. Im  Verhältnis  zu §§ 823 ff. BGB und sonstigen Gefähr-
                        dungshaftungstatbeständen   (z.B.   § 7 StVG,   § 1 HaftpflG,   § 33 LuftVG,
                        § 1 UmweltHG) können Schadensersatzansprüche nach § 22 WHG neben diesen
                        geltend gemacht werden. 9
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                        a) Verhaltenshaftung, § 22 Abs. 1 WHG
                        Nach § 22 Abs. 1 S. 1 WHG ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt
                        oder einleitet oder wer auf Gewässer derart einwirkt, dass die physikalische, che-
                        mische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, zum Ersatz
                        des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
                           Als ungeklärt galt bisher  die Frage,  ob das erforderliche zweckgerichtete
                        menschliche  Verhalten nur objektiv geeignet  (final) sein muss oder ob es einer
                        bewussten  Handlung  bedarf und das  Verhalten somit eine subjektive Finalität
                                  1000  Der BGH, der diese Frage lange offen gelassen  hatte, scheint
                        voraussetzt. 9
                        nunmehr der objektivierten Sichtweise  zu folgen:  Nach seiner Ansicht liegt ein
                        haftungsbegründendes  Handeln erst bei  einem  Tun  (oder Unterlassen) vor, das
                        nach seiner objektiven Eignung darauf abzielt, dass Stoffe in ein Gewässer gelan-
                        gen, wobei ein funktioneller Zusammenhang mit einer Gewässerbenutzung vor-
                        liegen muss; die bloße Verursachung des Hineingelangens genügt dagegen
                             1001
                        nicht. 1
                           Beim Transport gefährlicher Güter resultieren die Schäden in den meisten Fäl-
                        len  aus Stör- oder Unfällen. Das zufällige Hineingelangen aufgrund eines Stör-
                        oder Unfalls fällt aber unstreitig nicht unter den Verhaltensbegriff, da es dabei an
                                                               1002   Die Verhaltenshaftung nach
                        jeglicher Zielgerichtetheit  (Finalität) fehlt. 1
                        § 22 Abs. 1 WHG ist daher bei Gefahrguttransporten von untergeordneter Bedeu-
                        tung, während die Anlagenhaftung nach § 22 Abs. 2 WHG nicht zweckgerichtet
                                     1003  und deshalb den typischen Unfallsituationen eher entspricht.
                        zu sein braucht 1
                           Eine Verursacherhaftung nach § 22 Abs. 1 WHG kommt im Rahmen von Ge-
                        fahrguttransporten nur in den Fällen in Betracht, in denen gefährliche Stoffe be-



                        999  Breuer, Wasserrecht, Rn. 1095; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG
                           Rn. 31, 42.
                        1000   Breuer, Wasserrecht, Rn. 1102 m.w.N. zu den beiden vertretenen Auffassungen. Die praktische
                           Relevanz dieses Meinungsstreites wird allerdings als gering eingestuft, Breuer, Wasserrecht,
                           Rn. 1102.
                        1001  BGHZ 124, 394 (396); BGH NJW 1994, 1006; BGH VersR 1994, 565 f.
                        1002  Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 7; Scheier/Klowait, ZfW 1993,
                           129 (131); Janke-Weddige, ZfW 1988, 381 (397); BVerwG NJW 1974, 815 f. = ZfW 1974, 296
                           (297).
                        1003  Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 22 WHG Rn. 47; Breuer, Wasserrecht,
                           Rn. 1137.
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