Page 259 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 235
Eine Sache i.S.d. Art. 1384 Abs. 1, 2. Alt. C.c ist jeder körperliche Gegenstand –
1121 – unabhängig davon, ob dieser be-
soweit keine Sonderregelungen bestehen 1
1122 Ebenso wenig
weglich oder unbeweglich, gefährlich oder ungefährlich ist. 1
kommt es auf den Aggregatzustand der Sache an, d.h. flüssige und gasförmige
1123
Stoffe können ebenso schadenstiftende Ursachen sein wie radioaktive Stoffe. 1
Gefährliche Güter fallen daher unproblematisch unter den Begriff „chose“ des
Art. 1384 Abs. 1 C.c. Aber auch die Transportmittel selbst (Kraftfahrzeuge, Ei-
1124
senbahnen und Schiffe) können eine schadenverursachende Sache sein. 1
b) Fait de la chose
Um den Anwendungsbereich der Sachhalterhaftung nicht ausufern zu lassen, hat
die französische Rechtsprechung die Verantwortlichkeit dahingehend einge-
schränkt, dass die Sache eine cause génératrice du dommage, also ein wesentlicher Fak-
tor für die Schädigung gewesen sein muss und nicht nur eine rein passive Rolle (un
1125 Nur wenn diese Voraussetzung vorliegt,
rôle purement passif) gespielt haben darf. 1
kann man davon sprechen, dass der Schaden durch ein Verhalten der Sache (fait de
1126
la chose) verursacht worden ist. 1
Es handelt sich letztlich um ein Kausalitätserfordernis: Zwischen der Sache und
1127 Dabei hat der Ge-
dem Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen. 1
schädigte zu beweisen, dass sein Schaden durch die Sache des Beklagten entstan-
1128 Das bedeutet in der Praxis, dass er zum einen den Nachweis erbringen
den ist. 1
muss, dass die Sache am Zustandekommen des Schadens beteiligt ist, zum ande-
1129 Allerdings sinken
ren, dass diese Beteiligung gerade die tragende Ursache ist. 1
die Anforderungen an den Nachweis mit der Gefährlichkeit der Sache: Gelingt bei
gefährlichen oder sich in Bewegung befindlichen Sachen der Beweis, dass diese in
den Schadensverlauf verwickelt sind, wird zugunsten des Geschädigten vermutet,
1121 Gesetzliche Sonderhaftungsvorschriften bestehen etwa für Tiere (Art. 1385 C.c), für Gebäude
(Art. 1386 C.c) sowie für Kraftfahrzeuge (Loi Badinter).
1122 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 665 f.; Cees van Dam, European Tort
Law, S. 51; Flour/Aubert/Savaux, Les obligations, Band 2: Le fait juridique, Nr. 242 und 243.
1123 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 665.
1124 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 666.
1125 Cour de cass. 09.06.1939, D.H.1939, Jurisprudence S. 449; Zweigert/Kötz, Einführung in die
Rechtsvergleichung, S. 666.
1126 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 666 f.
1127 Siehe dazu die Ausführungen von Flour/Aubert/Savaux, Les obligations, Band 2: Le fait juridi-
que, Nr. 250 ; zum Kausalzusammenhang im französischen Delitksrecht siehe auch Gotthardt,
Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 28 ff.
1128 Flour/Aubert/Savaux, Les obligations, Band 2: Le fait juridique, Nr. 250.
1129 Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit civil, Les obligations, Nr. 192; Gotthardt, Landesbericht
Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 46.