Page 260 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 260

236                                      3.Teil: Nationale  Haftungsregelungen

                                                                  1130  Bei Schäden, die im Zusam-
                        dass diese auch zu dem Schaden geführt haben. 1
                        menhang mit Gefahrguttransporten entstanden sind, wird den Geschädigten da-
                        her der Kausalitätsnachweis regelmäßig gelingen.


                        c) Gardien
                        Halter (gardien) einer Sache ist derjenige, der Gebrauch, Leitung und Aufsicht (usa-
                        ge, direction et contrôle), also die tatsächliche Verfügungsgewalt  über die Sache inne-
                           1131  Es gilt die grundsätzliche Vermutung, dass der Eigentümer auch „gardien“
                        hat. 1
                                    1132  Dies bleibt er beispielsweise auch dann, wenn es sich bei der
                        der Sache ist. 1
                        Sache um ein Kraftfahrzeug handelt und er dieses einem Angestellten überlässt,
                                                                                      1133  Wird
                        welcher das Fahrzeug im Rahmen seiner dienstlichen Befugnisse nutzt. 1
                        das Fahrzeug jedoch gestohlen, oder unternimmt der Angestellte eine Schwarz-
                        fahrt, verliert der Eigentümer die tatsächliche Verfügungsgewalt und damit seine
                                                    1134
                        Obhut (garde) über das Fahrzeug. 1
                           Als gardien i.S.d. Art. 1384 Abs. 1, 2. Alt. C.c. kommen bei Gefahrguttranspor-
                        ten der  Beförderer (Transportunternehmer), Schiffseigner  (Reeder) ebenso in
                        Betracht wie der Absender, Verlader und Empfänger. Hinsichtlich der Frage, wer
                        während der Beförderung von gefährlichen Gütern als  gardien anzusehen  ist,
                        kommt der Entscheidung  des Kassationshofes in der Sache  explodierter Sauer-
                                                                                     1135  In die-
                        stoffdruckflaschen (affaire de l`Oxygène liquide) besondere Bedeutung zu. 1
                        sem Fall hatte die beklagte Gesellschaft mehrere ihr gehörende und von ihr gefüll-
                        te Sauerstoffdruckflaschen durch einen Frachtführer an einen Abnehmer beför-
                        dern lassen, von denen eine beim Ausladen auf dem Betriebsgelände des Abneh-
                        mers explodierte und zwei Arbeiter verletzte. Zunächst wurde allein der Fracht-
                                                 1136  Der  Kassationshof  hob diese Entscheidung je-
                        führer als  gardien angesehen. 1
                        doch auf und verwies sie zurück an den Cour d`Appel Angers, der sich jedoch der
                                                                                      1137  Dar-
                        vorangegangenen Entscheidung zu Lasten des Frachtführers  anschloss. 1
                        aufhin wurde wiederum der Kassationshof angerufen, der nun endgültig ent-


                        1130  Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 46; Malaurie/Aynès/Stoffel-
                           Munck, Droit civil, Les obligations, Nr. 192.
                        1131  Ch.réun. 02.12.1941, D.C. 1942, Jurisprudence S. 25; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechts-
                           vergleichung, S. 667.
                        1132  Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 667; Cees van Dam, European Tort
                           Law, S. 53.
                        1133  Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 667 f.
                        1134  Ch.réun. 02.12.1941, D.C. 1942, Jurisprudence S. 25; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechts-
                           vergleichung, S. 668.
                        1135  Civ. 2 e  10.06.1960, Dalloz 1960, Jurisprudence S. 609; ausführlich dazu Zweigert/Kötz, Einfüh-
                           rung in die Rechtsvergleichung, S. 668.
                        1136  Cour d`Appel Poitiers 29.10.1952, J.C.P. 1953 II, 7410.
                        1137  Civ. 2 e  5.1.1956, Dalloz 1957, Jurisprudence S. 261; Cour d`Appel Angers 15.5.1957, J.C.P.
                           1957 II, 10058.
   255   256   257   258   259   260   261   262   263   264   265