Page 262 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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238 3.Teil: Nationale Haftungsregelungen
1144 Für Kraftfahrzeugunfälle gelten jedoch die
des Geschädigten (fait de la victime). 1
1145
Sonderregelungen des Gesetzes vom 05.07.1985 (Loi Badinter). 1
Unter höherer Gewalt (force majeure, cas fortuit) wird ähnlich wie im deutschen
Recht ein Ereignis verstanden, das seine Ursache außerhalb der schadenstiftenden
1146 Dies
Sache hat sowie unvorhersehbar und in seinen Folgen unabwendbar ist. 1
können sehr plötzlich eintretende gewaltige Naturereignisse sein, nicht aber ver-
1147
borgene Material- oder Beschaffenheitsfehler an der Sache selbst. 1
Bei einem schädigenden Verhalten eines Dritten (fait d`un tiers) ist zu beachten,
dass Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit des Drittverhaltens in dem für
eine volle Entlastung erforderlichen Umfange vorliegen müssen, da eine Teilent-
1148 Allerdings kommt
lastung gegenüber dem Geschädigten nicht möglich ist. 1
dann eine gesamtschuldnerische Haftung (co-responsabilité solidaire) des Dritten und
des Halters in Betracht, wobei sich die interne Haftungsverteilung nach der
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Schwere des Fehlverhaltens (gravité des fautes) bestimmt. 1
Beruht der Schaden schließlich auf dem Verhalten des Geschädigten (fait de la
victime) und stellt sich dieses für den Halter als höhere Gewalt dar, war es also
weder vorhersehbar noch vermeidbar, ist der Halter ebenfalls vollständig von
1150 Liegen diese Voraussetzungen so nicht vor, hat aber
seiner Haftung befreit. 1
das Verhalten des Geschädigten beim Zustandekommen des Schadens mitgewirkt,
1151
kann es zu einer Minderung seines Ersatzanspruchs kommen. 1
4. Haftungsumfang
Die Haftung des gardien umfasst nach Art. 1384 Abs. 1, 2. Alt. C.c. alle Schäden,
(dommages) die durch die schadenstiftende Sache verursacht wurden. Der Scha-
1144 Vgl. Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 30, 46.
1145 Dazu ausführlich unter 3. Teil B III.
1146 Civ. 2.7.1946, Dalloz 1946, Jurisprudence S. 392 ; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsver-
gleichung, S. 669.
1147 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 669.
1148 Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 31.
1149 Marty/Raynaud, Droit Civil, Les obligations, Band 1 Les sources, Nr. 563 S. 705.
1150 Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 31; Zweigert/Kötz, Einfüh-
rung in die Rechtsvergleichung, S. 670.
1151 Die Berücksichtigung des Mitverschuldens war ursprünglich in der Rechtsprechung anerkannt.
Da man diese Regelung jedoch vor allem für Verkehrsunfälle nicht für sinnvoll hielt, entschied
der Kassationshof in dem Urteil Desmares vom 21.07.1982 (Dalloz 1982, Jurisprudence S. 449),
dass der Mitverschuldenseinwand des beklagten Kraftfahrzeughalters unzulässig sei. Seit In-
krafttreten des Loi Badinter vom 5. Juli 1985 gelten für Verkehrsunfälle jedoch besondere gesetz-
liche Regelungen, so dass für alle übrigen Sachverhalte wieder auf die ursprüngliche Mitver-
schuldensregelung zurückgegriffen werden kann. Siehe dazu ausführlich Gotthardt, Landesbe-
richt Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 32; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechts-
vergleichung, S. 670 f.; Marty/Raynaud, Droit Civil, Les obligations, Band 1 Les sources, Nr.
517 (3) S. 630 ff.