Page 267 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 243
1182 1183 die
den Benzintropfen eines Motors 1 oder Funkenflug aus einer Lokomotive 1
allgemeine Sachhaftung eingreifen. Als Begründung für die einschränkende Ausle-
gung wurde angeführt, dass der Brand nach dem Wortlaut der Vorschrift seinen
Entstehungsgrund in der Sache des Beklagten haben muss. Bei Gefahrguttrans-
portunfällen ist daher – soweit dies praktisch möglich ist – zwischen den durch
Brand der gefährlichen Güter und den durch eine Explosion verursachten Schä-
den abzugrenzen. Denn durch Explosion entstandenes Feuer wird nicht von
Art. 1384 Abs. 2 C.c. erfasst, sondern von der allgemeinen Sachhalterhaftung nach
Art. 1384 Abs. 1 C.c.
Die Beweislast dafür, dass das auf dem Grundstück oder an den beweglichen
Sachen des Beklagten entstandene Feuer auf dessen Verschulden zurückzuführen
1184 Misslingt der Verschuldensnachweis, ist ein Rück-
ist, trägt der Geschädigte. 1
1185
griff auf Art. 1384 Abs. 1, 2. Alt. C.c. ausgeschlossen. 1
III. Straßenverkehrshaftung nach der Loi Badinter vom 5. Juli 1985
Das Gesetz Nr. 85-677 vom 5. Juli 1985 (Loi Badinter) unterwarf die Straßenver-
kehrshaftung einem eigenen Haftungsregime, um damit zwei in ihrem Titel ge-
nannten Ziele zu erreichen: Verbesserung der Lage von Verkehrsunfallopfern
(l`amélioration de la situation des victimes d`accidents de la circulation) sowie Beschleuni-
gung des Entschädigungsverfahrens (l`accélération des procédures d`indemnisation).
Nach anfänglichen Streitigkeiten, ob es sich bei Art. 1 der Loi Badinter um eine
selbständige Haftungsgrundlage handelt oder nur um eine allgemeine Haftungsre-
gel, welche die Anspruchsgrundlage aus Art. 1382 ff. C.c. lediglich modifiziert, hat
1186 schließlich klargestellt, dass die Loi Badinter in ihrem Gel-
der Kassationshof 1
tungsbereich das gemeine französische Deliktsrecht (Art. 1382 ff. C.c.) vollständig
1187
verdrängt. 1
1182 Civ. 2 e 21.6.1962, Dalloz 1962, Sommaires S. 134, 2. Spalte.
1183 Civ. 2 e 15.3.1961, Dalloz 1961, Sommaires S. 102, 3. Spalte; Civ. 20.1.1948, Dalloz 1948, Juris-
prudence S. 201.
1184 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 666.
1185 Vgl. Civ. 3 e , 15.11.1978, Dalloz 1979 Informations rapides S. 347, rechte Spalte; vgl. Durry, RTD
civ. 1979, 799 (802).
1186 Cass.Civ. vom 28.01. und 04.02.1987, Dalloz 1987 I, Jurisprudence S. 187 f., Anm. Groutel;
Cass.Civ. vom 04.05.1987, Bull. Civ. 1987 II Nr. 87 S. 53. So bereits Cass.Civ. vom 07.11.1985,
J.C.P. 1986 II, Nr. 20598.
1187 Diese Auffassung ist inzwischen allgemein anerkannt: Siehe von Bar, Gemeineuropäisches De-
liktsrecht II, S. 372 f.; Wagner, in: Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189
(284 f.). Zu den verschiedenen Meinungen siehe die Zusammenfassung bei Fe-
rid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht Bd. 4/1, Rn. 2 O 369 ff.