Page 275 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen 251
schen, das einem anderen Schaden zufügt, verpflichtet denjenigen, durch dessen
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Verhalten der Schaden entstanden ist, zum Schadensersatz.“ 1
Art. 1383 C.c. lautet: „Chacun est responsable du dommage qu`il a causé non seulement
par son fait, mais encore par sa négligence ou par son imprudence“- „Man haftet nicht nur
für den Schaden, den man durch vorsätzliches Verhalten herbeiführt, sondern
auch für denjenigen, den man durch Fahrlässigkeit und Nachlässigkeit verur-
sacht“.
Anders als bei der Sachhalterhaftung nach Art. 1384 Abs. 1 C.c. handelt es
sich bei der Haftung nach Art. 1382, 1383 C.c. um eine Verschuldenshaftung.
Jedermann kann nach Art. 1382, 1383 C.c. haftpflichtig werden. In Bezug auf
Gefahrgut-transporte kommen als haftpflichtige Personen insbesondere der Ver-
sender, der Fahrzeugführer, die Besatzungsmitglieder ebenso wie der Beförderer
und der Schiffseigner in Betracht.
Für den Fall, dass ein Schaden sowohl auf menschliches Verhalten als auch auf
die Beteiligung einer Sache zurückzuführen ist und deshalb beide Haftungen mit-
einander konkurrieren, kann der Geschädigte seinen Anspruch sowohl nach
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Art. 1382, 1383 C.c. als auch nach Art. 1384 C.c. geltend machen. 1
Die allgemeine Haftung nach Art. 1382, 1383 C.c. kennt im Gegensatz zum
deutschen § 823 Abs. 1 BGB keine Beschränkung auf bestimmte absolute Rechte
oder Rechtsgüter oder das Verbot der Kompensation von Nichtvermögensschä-
1225 Um den sich daraus ergebenden nahezu unbegrenzten Anwendungsbe-
den. 1
reich von Art. 1382, 1383 C.c. zu präzisieren und einzuschränken, hat die franzö-
sische Rechtsprechung die drei folgenden Tatbestandsmerkmale entwickelt: Fehl-
verhalten (faute), Schaden (dommage) und Kausalzusammenhang (lien de causalité)
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zwischen fehlerhaftem Verhalten und Schaden. 1
Der Begriff „faute“ wird im Code civil weder definiert noch durch Anhaltspunkte
genauer bestimmt. In der Literatur wird als faute die Nichtbeachtung eines für den
Schädiger erkennbaren Verhaltensgebotes bezeichnet, welche bei objektiv-
pflichtwidriger Handlung oder Unterlassung sowie subjektiver Zurechenbarkeit
1227 Jeder Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht, unabhängig davon ob
gegeben ist. 1
diese nun gesetzlich festgeschrieben ist oder sich nur aus Gewohnheitsrecht, der
1228 So ist
Verkehrssitte oder Standesethik ergibt, begründet die Haftung für faute. 1
1223 Eine deutsche Übersetzung der französischen Deliktsrechtsnormen findet sich bei Gotthardt,
Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 75 ff.
1224 Biller, Die Eigenhaftung des Verrichtungsgehilfen, S. 24 m.w.N.
1225 Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 17.
1226 Gotthardt, Landesbericht Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 17; Zweigert/Kötz, Einfüh-
rung in die Rechtsvergleichung, S. 620 ff.
1227 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 622; Gotthardt, Landesbericht Frank-
reich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 17 m.w.N. aus der französischen Literatur.
1228 Sonnenberger/Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 138; Gotthardt, Landesbericht
Frankreich, in: Deliktsrecht in Europa, S. 18.