Page 278 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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254 3.Teil: Nationale Haftungsregelungen
1245 Im Rahmen dieser Arbeit
Rechtsordnung, sowie das Recht der Kanalinseln. 1
wird nur auf das englische Recht eingegangen.
Das englische Recht beruht hauptsächlich auf Gerichtsentscheidungen (Case
Law), für deren Anwendung das Präjudiziensystem gilt, d.h. eine neue richterliche
Entscheidung muss sich an einer einschlägigen, vorangegangen Entscheidung
1246 Das sogenannte Statutory Law, das von
orientieren („doctrine of binding precedent“). 1
der Legislative geschaffen wurde, dient dagegen nur zur Ergänzung oder Korrek-
1247 Weitere Rechtsquellen sind das Gewohnheitsrecht (custom),
tur des Case Law. 1
die „Vernunft“ (reason), die Lehrmeinungen (books of authority), das Völkerrecht
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sowie das Recht der Europäischen Gemeinschaft. 1
Hinsichtlich der Haftung für durch Gefahrguttransporte entstandene Dritt-
schäden kommt insbesondere die Entscheidung in der Sache Rylands v. Flechter aus
dem Jahre 1868 in Betracht, in der erstmals eine Gefährdungshaftung (strict liabili-
ty) entwickelt wurde. Ferner können einzelne Tatbestände des allgemeinen
Tort Law (negligence, trespass, nuisance) einschlägig sein. Spezielle auf Gefahrguttrans-
porte zugeschnittene Haftungsnormen kennt das englische Recht nicht. Auch gibt
es – anders als im deutschen und französischen Recht – keine strikte Haftung für
den Halter eines Kraftfahrzeugs. Eine vom Nachweis einer Sorgfaltspflichtverlet-
zung unabhängige Haftung (strict liability) hat der englische Gesetzgeber nur in sehr
1249 Von diesen Haftungstatbeständen sind für Gefahr-
wenigen Fällen eingeführt. 1
guttransporte die Haftung nach dem Civil Aviation Act 1982, dem Nuclear Instal-
lations Act 1965, dem Environmental Protection Act 1990 und dem Merchant
Shipping Act 1995 relevant. Die Einführung weiterer verschuldensunabhängiger
Haftungstatbestände wurde zudem ausführlich von der Royal Commission on Civil
1250
Liability and Compensation for Personal Injury diskutiert. 1
Die Haftung für Hilfspersonen richtet sich nach der vicarious liability. Schließlich
kommen bei der Haftung für Gefahrguttransportschäden auch verschiedene Statu-
tes zur Anwendung, wie z.B. der Road Traffic Act.
I. Strict liability
1245 Resch, DAR 2003, 368; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 198 ff.; Jun-
ker, Internationales Privatrecht, Rn. 17.
1246 Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 10; Heberer, ZfVR 2002, 57 (58).
1247 Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 9 f., 12.
1248 Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 10.
1249 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 671.
1250 Bericht der Royal Commission on Civil Liability and Compensation for Personal Injury, Cmnd. 7054
(1978).