Page 281 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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3.Teil: Nationale Haftungsregelungen                                257

                           der Grundsatz aus Rylands v. Fletcher möglicherweise anwendbar, wobei die Lage-
                           rung von Gefahrgütern im Rahmen von gewöhnlichen Industrietätigkeiten nicht
                           mehr als „non-natural use“ gilt, selbst  wenn sie künstlich und extrem gefährlich
                               1267 .
                           sind 1


                           2. Gesetzliche Haftung für gefährliche Tätigkeiten (hazardous activities)
                           Ein allgemeines Gefährdungshaftungsprinzip für gefährliche Tätigkeiten lässt sich
                           aus Rylands v. Flechter wie gesagt nicht ableiten. Nach wie vor unterliegt eine so
                           gefährliche Tätigkeit wie das Betreiben eines Kraftfahrzeugs keiner strikten Haf-
                           tung, sondern wird nach den Voraussetzungen des  negligence Tatbestandes beur-
                               1268  Die wenigen Tatbestände, die eine Gefährdungshaftung vorsehen und bei
                           teilt. 1
                           Schäden Dritter durch Gefahrguttransporte möglicherweise einschlägig sind, fin-
                           den sich im Civil Aviation Act 1982, Nuclear Installations Act 1965, Environmen-
                           tal Protection Act 1990 sowie im Merchant Shipping Act 1995.
                              Daneben kann auch die Verletzung gesetzlicher Pflichten (breach of statutory du-
                           ty) –  abhängig vom Wortlaut des statute – eine Form verschuldensunabhängiger
                                            1269  Gesetzliche Pflichten können sich in Bezug auf Gefahrgut-
                           Haftung darstellen. 1
                                                                              1270  oder dem IMDG-
                           transporte z.B. aus dem auch für England geltenden ADR 1
                                1271  ergeben. Eine Verletzung dieser Pflichten stellt eine breach of statutory duty
                           Code 1
                              1272  Ob die Pflichtverletzung jedoch tatsächlich eine strikte Haftung nach sich
                           dar. 1
                           zieht, muss im Einzelfall  durch Interpretation der gesetzgeberischen Intention
                                             1273  In den meisten Fällen handelt es sich bei breach of statutory
                           entschieden werden. 1
                           duty um eine Haftung aus negligence.



                              fährdungshaftung nach der rule in Rylands v. Fletcher, S. 127; siehe auch Wagner, in: Grund-
                              strukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189 (278).
                           1267  Vgl. Shaw, Landesbericht England und Wales, in: Deliktsrecht in Europa, S. 43.
                           1268  Cees van Dam, European Tort Law, S. 105; Youngs, English, French & German Comparative
                              Law, S. 378. Dies wurde vielfach kritisiert, u.a. von Vogler, Grundlagen und Grenzen der anglo-
                              amerikanischen Gefährdungshaftung nach der rule in Rylands v. Fletcher, S. 126 ff.
                           1269  Cees van Dam, European Tort Law, S. 105; zu den Voraussetzungen Shaw, Landesbericht Eng-
                              land und Wales, in: Deliktsrecht in Europa, S. 42.
                           1270  Das Europäische Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
                              (abgekürzt ADR, von „Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par
                              Route“) enthält spezielle Sicherheitsvoschriften und gilt auch im Vereinigten König-
                              reich, http://www.unece.org/trans/danger/publi/adr/adr2007/English/001%20E_introvol1.
                              pdf (Stand: 08.08.2010).
                           1271  Der internationale Code für die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen (abgekürzt
                              IMDG-Code, von „International Maritime Dangerous Goods Code“) ist in die Merchant Shipping (Dan-
                              gerous Goods) Regulations von 1981 integriert.
                           1272  Puttfarken, DVWG B 76, S. 37 (55).
                           1273  Vgl. Shaw, Landesbericht England und Wales, in: Deliktsrecht in Europa, S. 42.
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