Page 286 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 286
262 3.Teil: Nationale Haftungsregelungen
mit feuer- oder explosionsgefährlichen Gasen oder Flüssigkeiten. Gefahrguttrans-
porte fielen demnach unter diese Kategorie. Der Vorschlag der Kommission be-
schränkt sich allerdings darauf, ein Rahmengesetz zu erlassen, in welchem der
Minister ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung diejenigen Anlagen und Tätig-
keiten in einem Katalog zu bestimmen, die mit einer Gefährdungshaftung belegt
1301
werden sollen. 1
Dem Pearson-Bericht sind bis heute keine gesetzgeberischen Maßnahmen ge-
folgt. Eine Umsetzung der Änderungsvorschläge ist daher auch in Zukunft nicht
1302
zu erwarten. 1
3. Vicarious liability
Die Haftung des Arbeitgebers für seine Angestellten (vicarious liability) stellt eben-
falls eine Form der strict liability dar, denn der Arbeitgeber haftet ohne Verschulden
(fault) für das deliktische Verhalten seiner Angestellten, also unabhängig davon, ob
1303
ihn bei der Auswahl oder Überwachung seiner Leute ein Verschulden trifft. 1
Gerade im Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher Güter kann die vica-
rious liability im Verhältnis zwischen angestelltem Fahrzeugführer und Transport-
1304
unternehmen relevant werden. 1
Die Voraussetzungen der vicarious liability stimmen weitgehend mit denen der Haf-
tung des Geschäftsherrn im französischen Recht überein: Erforderlich ist neben
einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber (employer/master) und Ange-
stelltem (employee/servant), dass der Angestellte einem Dritten durch eine deliktische
(tortious) Handlung in Ausübung der ihm übertragenen Verrichtung (in the course of
1305 Bei der ersten Voraussetzung muss zu
employment) einen Schaden zugefügt hat. 1
1306
einem „unabhängigen Unternehmer“ (independent contractor) abgegrenzt werden. 1
Ein Abhängigkeitsverhältnis ist nur dann gegeben, wenn der employer den employee
1307 Der Angestellte
dirigieren und kontrollieren kann, also weisungsbefugt ist. 1
1308
muss zudem einen anerkannten Deliktstatbestand (tort) verwirklicht haben. 1
1301 Pearson-Bericht, Empfehlung Nr. 178.
1302 Buckley, in: Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 21-04.
1303 Jones, Textbook on Torts, S. 418; Fleming, Law of Torts, S. 409; Wagner, in: Grundstrukturen
des Europäischen Deliktsrechts, S. 189 (291).
1304 Siehe dazu die Entscheidung in der Sache Century Insurance Co. Ltd. v. Northern Ireland Road Trans-
port Board (1942) 1 All E.R., S. 491, (1942) A.C., S. 509, in der ein Tanklastwagenfahrer während
des Befüllens des Tanks einer Tankstelle ein brennendes Streichholz nach dem Anzünden einer
Zigarette auf den Boden fallen ließ, es dadurch zu einer Explosion kam und der Arbeitgeber
nach den Grundsätzen der vicarious liability haftbar gemacht wurde.
1305 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 532; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung,
S. 642.
1306 Dazu ausführlich Renner, Die deliktische Haftung für Hilfspersonen in Europa, S. 141 ff.
1307 Youngs, English, French & German Comparative Law, S. 440; Zweigert/Kötz, Einführung in
die Rechtsvergleichung, S. 642.
1308 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 542.