Page 301 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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4.Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene 277
tem die Haftung für aus dem Seeschifffahrtsbetrieb entstandene Ansprüche gegen
den Schiffseigentümer und dessen Hilfspersonen entsprechend der Größe des
Schiffes beschränkt werden kann. Eine Pflichtversicherung zur Absicherung der
Ansprüche gibt es dagegen nicht.
Die Regelung der Haftung für den Gefahrguttransport mit Binnenschiffen ist
noch lückenhafter als die für den Seetransport. Hier gibt es in keinem Bereich eine
Rechtsvereinheitlichung durch völkerrechtliche Übereinkommen. Insbesondere
die unterschiedliche Rechtslage der Nachbarstaaten Deutschland und Frankreich
ist unbefriedigend. Denn die französische Verweisung auf das deutsche BinSchG,
die überdies nur für die Rheinschifffahrt gilt, ist überholt. Zwar gilt durch den
Verweis die adjektizische Haftung des Schiffseigners nach § 3 Abs. 1 BinSchG
auch im französischen Recht. Aufgrund der statischen Verweisung auf das
BinSchG in der Fassung von 1895/1898 wird die Haftung jedoch noch immer auf
Schiff und Fracht beschränkt. Das 1998 in Anlehnung an das Straßburger Über-
einkommen (CLNI) eingeführte Summenhaftungssystem sowie die speziellen
Haftungshöchstbeträge für Gefahrgutbeförderungen nach § 5h BinSchG gelten
daher nur im deutschen Recht. Eine Pflicht zur Deckung der Haftung durch Ab-
schluss einer Versicherung oder einer anderen finanziellen Sicherheit besteht wie-
derum in keinem der drei Staaten.
Im englischen Recht finden sich schließlich überhaupt keine besonderen Haf-
tungsregelungen für den Transport mit Binnenschiffen. Außer den Sonderrege-
lungen des BinSchG gelten somit in allen drei Rechtsordnungen die allgemeinen
Haftungsvorschriften, die mit Ausnahme der französischen Sachhalterhaftung
einen Verschuldensnachweis voraussetzen.
Die Verschuldenshaftung für unerlaubte Handlungen (§ 823 BGB), faute
(Art. 1382, 1383 C.c.) und negligence greift neben den verschiedenen Gefährdungs-
haftungstatbeständen der einzelnen Rechtsordnungen ein. Anders als der deutsche
§ 823 Abs. 1 BGB sind die Generalklausel des Art. 1382, 1383 C.c. und auch der
negligence-Tatbestand nicht auf bestimmte absolute Rechte und Rechtsgüter be-
schränkt, sondern umfassen alle erdenklichen Schäden. Insbesondere die französi-
schen Gerichte sind gezwungen, Grenzen zu finden, um den uneingeschränkten
Ersatz von Drittschäden, der auch reine Vermögensschäden und immaterielle
1385 Demgegenüber überschreitet die
Schäden umfasst, angemessen einzugrenzen. 1
deutsche Rechtsprechung die engen Grenzen über das Rechtsinstitut der Ver-
kehrssicherungspflichten. Denn reine Vermögensschäden werden im deutschem
Recht nur bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz
ersetzt.
Dabei gehen alle drei Rechtsordnungen von dem Grundsatz aus, den Geschä-
digten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Während aber
Personen- und Sachschäden, die daraus resultierenden Vermögensschäden sowie
1385 Siehe 3. Teil B VII und I 4.