Page 306 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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282 4. Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene
ser“, d.h. vollständiger und effizienter verwirklichen kann als die einzelnen Mit-
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gliedstaaten. 1
Durch die derzeit geltenden, jeweils national unterschiedlichen Haftungsgrundla-
gen, Versicherungspflichten und Entschädigungsleistungen für Gefahrguttrans-
porte in den verschiedenen Mitgliedstaaten wird die Wettbewerbssituation der
Transportunternehmen erheblich verzerrt. Eine einheitliche Regelung auf Unions-
ebene würde hinsichtlich der Wettbewerbsunterschiede Abhilfe schaffen. Denn
häufig werden gefährliche Güter über die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten
hinaus im gesamten Gebiet der Europäischen Union transportiert. Hinzu kommt,
dass durch die ständige Vergrößerung der Europäischen Union und der damit
verbundenen Veränderung der wirtschaftsgeographischen Verhältnisse in Europa
eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene zum einen wenig sinnvoll, zum ande-
ren so gut wie unmöglich erscheint.
Ferner ermöglicht eine Unionsregelung den bisher von den Mitgliedstaaten
nicht erfolgten Erlass angemessener, spezifisch auf Gefahrguttransporte zuge-
schnittener, einheitlicher und somit auch gerechter Entschädigungsregelungen für
die Geschädigten. Dadurch würde ein einheitlich hohes Schutzniveau für unbetei-
ligte Dritte auf dem gesamten EU-Gebiet erlangt. Die Einbeziehung der Kosten
zur Wiederherstellung verschmutzter Umwelt in den Kreis der ersatzfähigen
Schäden sowie der Kosten für Schutzmaßnahmen und Schadensverhütungsmaß-
nahmen, trüge überdies zur Regenerierung der durch Gefahrguttransporte ver-
schmutzten Umweltressourcen und damit ganz allgemein zum Schutz der Umwelt
im Unionsgebiet bei. Eine Regelung auf Unionsebene zur Harmonisierung der
Haftung und Entschädigung für durch Gefahrguttransporte erlittene Schäden ist
somit geboten.
Hinsichtlich des Umweltschutzes ließe sich eine solche Regelung auch auf
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Art. 192 Abs. 1 i.V.m. 191 AEUV stützen. 1
Im Rahmen der Verkehrspolitik sind die Organe der Europäischen Union in
1407 Die Maßnahmen der Unionsorgane gemäß
der Wahl ihrer Handlungsform frei. 1
Art. 5 Abs. 4 EUV dürfen aber nur so weit gehen, wie zur Erreichung der Ziele
des Vertrags erforderlich. Unter Berücksichtigung des Regelungsgegenstandes und
des Subsidiaritätsprinzips können sie diejenige Rechtsform wählen, die den größ-
ten Erfolg verspricht, gleichzeitig jedoch die Rechte der Adressaten am wenigsten
1408 Die in Art. 91 Abs. 1 lit. d) AEUV genannten „zweckdienlichen
beeinträchtigt. 1
Vorschriften“ sind in der Regel verbindliche Rechtsakte i.S.d. Art. 288 AEUV,
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also Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen. 1
1405 Zur Prüfung nach dem Subsidiaritätsprinzip ausführlich Jung, TranspR 1999, 129 (131 f.).
1406 Vgl. dazu Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 175 EGV Rn. 1; Art. 174 EGV Rn. 7 ff.
1407 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 37; Geiger, EUV/EGV, Art. 71
EGV Rn. 6.
1408 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 37.
1409 Vgl. Boeing, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 71 EGV Rn. 9.