Page 307 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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4.Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene 283
Eine Verordnung hat den großen Vorteil, dass sie gemäß
Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in
jedem Mitgliedstaat gilt. Das Risiko einer uneinheitlichen Anwendung in den ein-
zelnen Mitgliedstaaten wird durch die Möglichkeit, den EuGH anzurufen, weitge-
hend ausgeschaltet. In ihrem Anwendungsbereich verdrängt sie entgegenstehen-
des nationales Recht und führt damit zwangsläufig zu einer Rechtsvereinheitli-
chung. Mit Blick auf die größtmögliche Rechtsvereinheitlichung sowie den größt-
möglichen Schutz auf dem Gebiet der Haftung und Entschädigung für Gefahrgut-
transportunfälle in Europa ist sie das geeignetste Rechtsinstrument.
Zwar ist auch eine Richtlinie hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbind-
lich, jedoch überlässt sie den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel,
Art. 288 Abs. 3 AEUV. Mittlerweile sind allerdings auch „verordnungsähnliche
Richtlinien“, d.h. bis ins Detail gehende Richtlinien, als zulässig anerkannt, wobei
die Art und Weise der Umsetzung weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen
1410 Gegenüber der Verordnung hat die Richtlinie immerhin den Vorteil,
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dass sie sich politisch leichter durchsetzten lässt. Dies ist gerade mit Blick auf die
vielen nie in Kraft getretenen völkerrechtlichen Verträge von Bedeutung. Zeigt die
bisher ablehnende Haltung der europäischen Staaten doch, dass es durchaus Wi-
derstände gegen die in den Gefahrgutübereinkommen enthaltenen Regelungen
gibt. Die vorzugswürdigere Lösung ist dennoch der Erlass einer Verordnung.
C. Grundsätze einer Lösung auf europäischer Ebene
Unabhängig vom Scheitern der einzelnen völkerrechtlichen Übereinkommen sol-
len im Folgenden die darin enthaltenen Ideen und Grundsätze aufgegriffen und
hinsichtlich einer möglichen Maßnahme auf Gemeinschaftsebene optimiert wer-
den. Ausgehend von den gegenläufigen, sich aber nicht ausschließenden Interes-
sen der Geschädigten einerseits sowie der Transportwirtschaft andererseits, soll
eine möglichst klare und praktikable Lösung erarbeitet werden.
Voraussetzung für die wirtschaftliche Tragbarkeit einer Verordnung ist, dass
alle Konkurrenten, d.h. auch solche aus Nicht-EU-Staaten, welche jedoch im Ho-
heitsgebiet der Europäischen Union tätig werden, den gleichen Haftungs-
bedingungen unterliegen. Nur dann wären mögliche Wettbewerbsverzerrungen
ausgeschlossen.
1410 Arndt, Europarecht, S. 77.