Page 309 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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4.Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene              285

                                               1415  Dabei sollten Punkte für die Gefährlichkeit vergeben
                           Straße (ADR) folgend. 1
                           werden, wonach sich dann später die Haftungsbeschränkung sowie der Umfang
                           der Versicherungspflicht bemisst. Zudem sind Öl i.S.d. Ölhaftungsübereinkom-
                           mens und Kernmaterialien trotz in Kraft getretener  völkerrechtlicher Überein-
                           kommen mit einzubeziehen.
                              Um die neugeschaffene Liste den steten Änderungen anzupassen, sollte in der
                           gemeinschaftlichen Regelung ein Gremium oder Ausschuss vorgesehen  werden
                           mit der Aufgabe und  Ermächtigung, die Liste von Zeit  zu Zeit  zu ändern und
                           anzupassen.



                           II. Haftungsprinzip

                           In allen gefahrgutspezifischen Übereinkommen  hat man sich für die Gefähr-
                           dungshaftung als Haftungsprinzip entschieden. Dies auch aus gutem Grund, hat
                           eine  Gefährdungshaftung  doch den großen Vorteil, dass der Geschädigte das
                           Verschulden des Schädigers nicht nachzuweisen braucht. Die Gefahren, die Ge-
                           fahrguttransporten immanent sind, rechtfertigen diese strengste Form der Haf-
                           tung. Ist doch der einer Gefährdungshaftung zugrunde liegende allgemein aner-
                           kannte Gedanke, dass „überall dort, wo der Allgemeinheit im unmittelbaren wirt-
                           schaftlichen Interesse eines Einzelnen eine besondere Gefahr zugemutet werden
                           muss, die wegen des mittelbaren Gesamtinteresses an  der  schadensgeneigten
                           Handlung nicht ausgeschlossen werden kann, ein wirtschaftlicher Ausgleich durch
                                                                       1416 .
                           eine Gefährdungshaftung geschaffen werden muss“ 1
                              Die Gefährdungshaftung hat gegenüber einer Verschuldenshaftung zudem den
                           nicht zu unterschätzenden Vorteil der Präventionswirkung. Zwar  könnte man
                           denken, die  Adressaten einer Gefährdungshaftung lassen in ihren Sorgfaltsan-
                           strengungen  nach, da sie ohnehin in jedem Fall haften und nicht mit der Freistel-
                                                                        1417  Bei dieser Annahme wird
                           lung von der Schadensersatzpflicht belohnt werden. 1
                           jedoch verkannt, dass ein vernünftiger Unternehmer mögliche Schadenskosten in
                           seine Kalkulation mit einbezieht und gegen den Nutzen seiner gefährlichen Akti-
                           vitäten abwägt. Er wird daher seine Sorgfaltsaufwendungen so weit ausdehnen, bis
                                                                              1418  Dagegen kann der
                           sie die damit vermiedenen Schadensersatzkosten erreichen. 1
                           einer Verschuldenshaftung unterworfene Unternehmer seine gefährlichen Aktivi-
                           täten ungeachtet etwaiger Schäden steigern, solange er die im Verkehr erforderli-


                           1415  Das ADR sieht 9 Klassen vor. Dazu ausführlich Mandl/Pinter, Gefahrgut – sicher auf der Stra-
                              ße, Band 1, S. 20 ff.
                           1416  Herber, RabelsZ 1970, 223 (227).
                           1417  Wagner, in: Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189 (289) m.w.N.
                           1418  Wagner, in: Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189 (289 f.).
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