Page 305 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
P. 305
4.Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene 281
grundlage zum Erlass von Sekundärrecht für den See- und Luftverkehr ergibt sich
1398 Die unterschiedlichen Ermäch-
daher unmittelbar aus Art. 100 Abs. 2 AEUV. 1
tigungsgrundlagen für den Landverkehr einerseits und den See- und Luftverkehr
andererseits haben in der Praxis keine Auswirkungen auf die inhaltliche Ausgestal-
1399 Denn die Differenzierung zwischen
tung der gemeinsamen Verkehrspolitik. 1
Landverkehr und See- und Luftverkehr entspricht nicht mehr den praktischen
Gegebenheiten, erscheint daher aus heutiger Sicht willkürlich und wenig sinn-
1400
voll. 1
Hinsichtlich der Schaffung einheitlicher Haftungs- und Entschädigungsregeln
für Gefahrguttransporte ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 lit. d) AEUV eine konkur-
rierende Zuständigkeit der Gemeinschaft. Artikel 91 Abs. 1 lit. d) AEUV enthält
die generelle Ermächtigung, alle sonstigen für die Vertragsziele zweckdienlichen
Vorschriften zu erlassen, wobei der Begriff „zweckdienliche Vorschriften“ weit
1401 Darunter fallen alle Maßnahmen der Rechtsangleichung mit
ausgelegt wird. 1
dem Ziel einer Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen und der Verwirkli-
1402 In der Praxis wird Art. 91 Abs. 1 lit. d) AEUV u.a.
chung des Binnenmarktes. 1
häufig zum Erlass von Regelungen für den nationalen wie internationalen Verkehr
herangezogen, die die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen sowie ver-
1403 Zum Erlass einheitlicher
kehrsbezogene Umweltschutzvorschriften betreffen. 1
Haftungs- und Entschädigungsregeln für Gefahrguttransporte ist die Europäische
Union somit neben den Mitgliedstaaten nach Art. 91 Abs. 1 lit. d) AEUV ermäch-
tigt.
Bei einer konkurrierenden Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, bestimmt sich die
Entscheidung, welche Organisationsebene in welchen Fällen tätig werden darf,
1404 Danach wird die
nach dem „Subsidiaritätsprinzip“ gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV. 1
Europäische Union nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezoge-
nen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden
können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Unions-
ebene erreicht werden können. Für ein Tätigwerden der Europäischen Union
kommt es also kurz gesagt darauf an, ob die Union die Ziele der Verträge „bes-
1398 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 1.
1399 Vgl. Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 70-80 EGV
Rn. 13.
1400 Vgl. Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 70-80 EGV
Rn. 12.
1401 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 2, 30.
1402 Vgl. Boeing, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 71 EGV Rn. 33; Jung,
in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 2.
1403 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 71 EGV Rn. 30 f.
1404 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 70 EGV Rn. 5. Zum Subsidiaritätsprinzip in der
europäischen Verkehrspolitik siehe Jung, TranspR 1999, 129 ff.