Page 48 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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24 2 Teil: Internationale Haftungsregelungen
bb) Einrede der Haftungsbeschränkung
Entscheidet sich der Beförderer gegen die Errichtung eines Fonds, richtet sich das
Verfahren der Haftungsbeschränkung nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem
Klage erhoben wird, Art. 10 Abs. 5 CRTD. Dabei sind nach Art. 10 Abs. 4 CRTD
die Abs. 4 bis 7 des Art. 11 CRTD, welche die Art der Verteilung des Fonds und
die Eintrittsrechte bei vorzeitiger Zahlung regeln, entsprechend anzuwenden.
Wird ein deutsches Gericht angerufen, wird die Seerechtliche Verteilungsord-
nung (SVertO) 1 entsprechend angewendet. 1 Das Verfahren der Haftungsbe-
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schränkung nach der SVertO ist ein bewährtes Modell, das die Errichtung eines
Sondervermögens und die Verteilung an eine Vielzahl von Gläubigern, mit allen
Besonderheiten zum allgemeinen Prozess- und Vollstreckungsrecht, regelt. 1 Der
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Beförderer muss die Einrede der Beschränkung seiner Haftung durch eine außer-
gerichtliche oder im Prozess eingeführte Erklärung bis zur letzten mündlichen
Verhandlung der ersten Instanz erheben. 1
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c) Unbeschränkte Haftung bei absichtlicher Schadensherbeiführung oder bewuss-
ter Leichtfertigkeit, Art. 10 Abs. 1 CRTD
Der Beförderer ist nach Art. 10 Abs. 1 CRTD nicht berechtigt, seine Haftung zu
beschränken, wenn nachgewiesen wird, dass die Schäden auf eine Handlung oder
Unterlassung zurückzuführen sind, die von ihm selbst oder seinen Bediensteten
oder Beauftragten in der Absicht solche Schäden herbeizuführen oder leichtfertig
und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass solche Schäden wahrscheinlich
eintreten würden. 1 Liegt ein Gehilfenverschulden vor, ist überdies nachzuwei-
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sen, dass dieser in Ausübung seiner Verrichtung gehandelt hat.
Verschuldensbegriffe wie „Vorsatz“ oder „Fahrlässigkeit“ wurden bewusst
vermieden, um einer unterschiedlichen Auslegung aufgrund der verschiedenarti-
gen Bedeutung und Tragweite dieser Begriffe in den einzelnen Staaten vorzubeu-
gen. Die „Absicht“ entspricht aber wohl dem „Vorsatz“ im Sinne des deutschen
Rechts, ebenso wie die „Leichtfertigkeit“ der „groben Fahrlässigkeit“ 1 .
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Art. 10 Abs. 1 CRTD lässt mit der Formulierung „wenn nachgewiesen wird“
offen, wem die Beweispflicht obliegt. In der Regel wird es darauf hinauslaufen,
106 In der Neufassung: BGBl. 1999 I, S. 530 ff., berichtigt in BGBl. 2000 I, S. 149 und zuletzt geän-
dert in BGBl. 2005 I, S. 837 (852).
107 Stör, S. 229.
108 Herber, TranspR 1987, S. 253 (260).
109 Stör, S. 229.
110 Ebenso wie bei der CMR (Art. 3) und entgegen dem Ölhaftungsübereinkommen von 1969
(Art. 5 Abs. 2) hat man sich letztlich für die Ausdehnung der unbeschränkten Haftung auf das
Gehilfenverschulden entschieden. Zu den Pro- und Contraargumenten ausführlich Evans -
Explanatory Report, S. 37 f.; Stör, S. 225 f.
111 Bezüglich der Leichtfertigkeit ebenso Stör, S. 227.