Page 69 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen                           45

                           von 107 Millionen Euro entspricht. 1  Die Festlegung eines Maximalhaftungsbe-
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                           trags war sowohl für die Vorauskalkulierbarkeit und Versicherbarkeit des Betriebs-
                           risikos als auch für die angemessene Entschädigung der Opfer erforderlich. 1
                                                                                           191
                              Voraussetzung für die Beschränkung der Haftung ist nach Art. 9 Abs. 3 HNS-
                           Übereinkommen die Errichtung eines Haftungsfonds 1  durch den Eigentümer in
                                                                         192
                           Höhe des nach Abs. 1 errechneten Gesamtbetrages bei dem Gericht oder einer
                           sonstigen zuständigen Stelle des Vertragsstaates, in  dem nach Art. 38 HNS-
                           Übereinkommen Klage erhoben wird oder werden kann. Eine Wahlmöglichkeit,
                           wie sie die CRTD vorsieht, existiert also nicht. Bis zur Errichtung des Haftungs-
                           fonds haftet der Schiffseigentümer daher summenmäßig unbeschränkt mit seinem
                           gesamten Vermögen.
                              Der Fonds kann entweder durch Hinterlegung des geforderten Betrags oder
                           durch Vorlage einer  Bankbürgschaft  oder einer  anderen zulässigen Garantie er-
                           richtet werden, Art. 9 Abs. 3 HNS-Übereinkommen.
                              Hat der Eigentümer  einen Haftungsfonds errichtet, so kann  nach
                           Art. 10 Abs. 1 HNS-Übereinkommen nicht mehr auf anderes Vermögen des Ei-
                           gentümers  zurückgegriffen werden und beschlagnahmte Vermögenswerte  bzw.
                           die gestellte Kaution oder Sicherheit müssen freigegeben werden. Dies setzt aller-
                           dings nach Art. 10 Abs. 2 HNS-Übereinkommen voraus, dass der Kläger Zugang
                           zu dem Gericht hat, das den Fonds verwaltet und dieser tatsächlich zur Befriedi-
                           gung seines Anspruchs verwendet werden kann.
                              Für den Fall, dass der vom Eigentümer in den Haftungsfonds eingezahlte Be-
                           trag zur vollständigen Befriedigung aller angemeldeten Ansprüche nicht ausreicht,
                           wird der Fonds, unter Berücksichtigung der nach Art. 11 HNS-Übereinkommen
                           privilegierten  Ansprüche, unter die Geschädigten im  Verhältnis der Höhe ihrer
                           nachgewiesenen Forderungen verteilt, Art. 9 Abs. 4 HNS-Übereinkommen.
                              Ausnahmsweise haftet  der Eigentümer  gemäß  Art. 9 Abs. 2  HNS-
                           Übereinkommen unbeschränkt, wenn  nachgewiesen wird, dass die Schäden auf
                           eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die von ihm selbst in der
                           Absicht oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen  wurde, dass solche
                           Schäden wahrscheinlich eintreten werden. Eine Ausdehnung dieser Bestimmung
                           auf ein Gehilfenverschulden sieht das  HNS-Übereinkommen im Gegensatz zur
                           CRTD nicht vor.







                           190  1 Sonderziehungsrecht entspricht z.Z. ca. 1,07 € (Stand: 08.08.2010). Der aktuelle Stand kann
                              unter http://www.imf.org/external/np/fin/data/rms_sdrv.aspx nachgeschlagen werden.
                           191  Vgl. Müller, TranspR 1998, 269 (276).
                           192  Nicht zu verwechseln mit dem HNS-Fonds i.S.d. Art. 13 HNS-Übereinkommen. Zu diesem siehe
                              unter 2. Teil B III.
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