Page 73 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen 49
schriebene Haftung des Schiffseigentümers ein. Reicht diese Haftung nicht aus
oder ist sie nicht anwendbar, dann zahlt auf der zweiten Stufe der HNS-Fonds
eine zusätzliche Entschädigung, Art. 13 Abs. 1 lit. a) HNS-Übereinkommen. Die-
ser wird durch die Beiträge der Empfänger der beitragspflichtigen Ladung ge-
speist.
Der HNS-Fonds dient einerseits dazu, die Entschädigungssumme für die Op-
fer zu erhöhen, während er andererseits den Schiffseigentümern einen Ausgleich
für die strikte Gefährdungshaftung gewähren soll.
Vorbild für den HNS-Fonds war das Fondsübereinkommen von 1971 über
die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmut-
zungsschäden (IOPC-Fund) 2 , weshalb es auch nicht verwundert, dass die Struk-
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tur des HNS-Fonds sehr eng dem bewährten Muster des IOPC-Fund folgt. 2
1. Voraussetzung für eine Entschädigungszahlung
Der HNS-Fonds greift nach Art. 14 Abs. 1 HNS-Übereinkommen grundsätzlich
in drei Fällen ein:
Der erste Fall ist, dass der Schiffseigentümer ausnahmsweise nach den Vor-
schriften des HNS-Übereinkommens nicht haftet. Dieser Fall kann z.B. eintreten,
wenn der Schiffseigentümer nichts von der Gefährlichkeit und Schädlichkeit der
verladenen Güter wusste oder ein anderer Haftungsausschlussgrund eingreift.
Allerdings ist der Fonds bei Eingreifen bestimmter Haftungsausschlusstatbestände
ebenfalls von seiner Zahlungsverpflichtung befreit. 2
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Im zweiten Fall muss der Schiffseigentümer eigentlich voll haften, jedoch ist er
finanziell nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen vollständig nachzukommen
und darüber hinaus reicht seine finanzielle Sicherheit (Versicherung oder Bank-
bürgschaft) nicht aus, um die Entschädigungsansprüche zu befriedigen. Allerdings
gelten nach Art. 14 Abs. 1 lit. b) HNS-Übereinkommen der Schiffseigentümer erst
dann als „finanziell nicht in der Lage“ und eine finanzielle Sicherheit als „nicht
ausreichend“, wenn es dem Geschädigten nicht möglich war, den ihm zustehen-
den vollen Entschädigungsbetrag zu bekommen, nachdem er alle zumutbaren
Maßnahmen im Hinblick auf die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe
getroffen hat. Was allerdings genau unter „zumutbaren Maßnahmen“ zu verstehen
ist, wird offen gelassen.
Im dritten Fall zahlt der HNS-Fonds, weil der Schaden die Haftungsbeschrän-
kung des Schiffseigentümers nach Art. 9 HNS-Übereinkommen übersteigt.
Voraussetzung für eine Entschädigungszahlung des HNS-Fonds ist grundsätz-
lich die Errichtung eines Haftungsfonds nach Art. 9 Abs. 3 HNS-
203 International Oil Pollution Compensation - Fund.
204 Ganten, TranspR 1997, 397 (402).
205 Dazu unter „Befreiung von der Zahlungsverpflichtung“ 2. Teil B III 2.