Page 71 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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2 Teil: Internationale Haftungsregelungen                           47

                           Übereinkommen. Die nach Art. 12 Abs. 2 HNS-Übereinkommen zuständige Be-
                           hörde, die das Vorliegen der Versicherungsvoraussetzungen zu prüfen hat, steht
                           bei dieser Aufgabe vor der praktischen  Schwierigkeit, die Bonität ausländischer
                           Versicherer oder Bürgen beurteilen zu müssen. Dieses Problem wurde bereits bei
                           der Erarbeitung des Ölhaftungsübereinkommens erkannt, zumal im Überein-
                           kommen selbst keine  ausreichend wirksamen Sanktionen für  nicht versicherte
                           Schiffe vorgesehen sind. 1  Jedoch kann jeder Vertragsstaat nach seinem  Recht
                                                 197
                           geeignete Maßnahmen ergreifen sowie Sanktionen verhängen, und ist sogar nach
                           Art. 6 HNS-Übereinkommen dazu angehalten, um so für die  Einhaltung aller
                           Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen zu sorgen.
                              Die Form der Pflichtversicherungsbescheinigung und die Informationen, die
                           sie zu enthalten  hat, sind in Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 HNS-Übereinkommen
                           detailliert geregelt.
                              Die im Namen eines Vertragsstaates ausgestellten oder bestätigten Pflichtver-
                           sicherungsbescheinigungen werden  nach Art. 12 Abs. 7 HNS-Übereinkommen
                           von den anderen Vertragsstaaten anerkannt.


                           d) Direktanspruch gegen den Versicherer oder Bürgen
                           Das HNS-Übereinkommen gewährt dem Geschädigten  in  Art. 12 Abs. 8  einen
                           Direktanspruch gegen den  Versicherer  oder gegen den Bürgen, ebenso wie das
                           Ölhaftungsübereinkommen und die CRTD. Der Versicherer oder Bürge kann sich
                           allerdings auf die in Art. 9 Abs. 1 HNS-Übereinkommen vorgesehene Haftungs-
                           beschränkung berufen, auch dann, wenn der Eigentümer dazu selbst nicht berech-
                           tigt ist (vgl. Art. 9 Abs. 2 HNS-Übereinkommen). Zudem kann er dieselben Ein-
                           reden wie der Beförderer – mit Ausnahme des Konkurses oder der Liquidation
                           des Eigentümers – geltend machen, sowie die Einrede, dass die Schäden durch das
                           vorsätzliche Verschulden des Schiffseigentümers selbst verursacht wurden. Macht
                           der Versicherer oder Bürge die Einrede des vorsätzlichen Verschuldens des
                           Schiffseigentümers geltend, bleibt dem Geschädigten nur die Möglichkeit, gegen
                           den Eigentümer vorzugehen. Das Insolvenzrisiko des Eigentümers geht damit zu
                           Lasten des Geschädigten. In der CRTD hat  man deshalb auf diese Einrede ver-
                           zichtet. 1
                                 198
                              Die Haftpflicht des Schiffseigentümers wird in der Regel durch die „Protecti-
                           on and Indemnity Associations“ 1  (P&I-Clubs), einem freiwilligen  Zusammen-
                                                        199
                           schluss der Reeder zur Deckung von Haftungsrisiken auf der Grundlage der Ge-
                           genseitigkeit, gedeckt, 1  die in ihren Bedingungen nach der Regel „pay to be paid“
                                              200

                           197  Vgl. Ausführungen von Herber zum Ölhaftungsübereinkommen in RabelsZ 1970, 223 (243).
                           198  Siehe 2. Teil A II 7 d).
                           199  „Protection and Indemnity“ bedeutet Schutz und Schadloshaltung.
                           200  Franck, TranspR 1997, 215 (219 f.).
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