Page 106 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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100 Kapitel 4 • Die Europäische Union
schränkung verhältnismäßig ist, angetastet werden. Wesensge-
halt und Verhältnismäßigkeit kann man daher als sog. Schran-
ken-Schranken sehen. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit
2 gliedert sich in Fragen nach der Geeignetheit zur Erreichung
des Ziels, Erforderlichkeit (mildestes Mittel) zur Erreichung
des Ziels und nach der Angemessenheit einer hoheitlichen
Maßnahme, also der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
Die Angemessenheit ist die eigentliche Werteabwägung. Inso-
4 weit besteht ein Gleichlauf mit der Grundrechtecharta.
Die einzelnen Grundrechte: Der EuGH hat ein breites Spek-
trum von Grundrechten über Art. 6 III EUV formuliert, wel-
- Recht auf Eigentum (Hauer, Slg. 1979, 3727).
ches sich nunmehr in der GrCh wiederfindet:
-
- Recht auf berufliche und wirtschaftliche Betätigung
(Hauer, s. o.).
Freier Zugang zur Beschäftigung für Arbeitnehmer
(Heylens, Slg. 1987, 4097), Vereinigungsfreiheit (Ge-
werkschaftsbund, Slg. 1974, 917), das Recht Koalitionen
zu bilden, um gemeinsame Interessen zu vertreten und
- Meinungsfreiheit, Publikationsfreiheit (Flämische Bücher,
durchzusetzen.
Slg. 1984, 19); Religionsfreiheit (Prais, Slg. 1976, 1589);
Familienschutz (Wanderarbeitnehmer, Slg. 1989, 1263);
2 - Arztgeheimnis (Deutsches Arzneimittelrecht, Slg. 1992,
2575).
2 Das Recht auf Privatsphäre, Briefgeheimnis und Schutz
der Wohn- und Geschäftsräume (Hoechst, Slg. 1989,
2859).
2 - Schutz des Arztgeheimnisses (Kommission/Deutschland,
-
Slg. 1992, I-2575).
2 - Menschenwürde (Niederlande/Rat, Slg. 2001, I-7079).
Gleichheit (Ruckdeschel, Slg. 1977, 1753).
2 Allgemeine Rechtsgrundsätze: Zum ungeschriebenen Pri-
märrecht werden neben den in Art. 6 III EUV formulierten
2 Grundrechten ebenfalls die allgemeinen Rechtsgrundsätze
gezählt. Nicht geschriebenes Recht ist trotz der Problematik
der Publizität nicht nur im EU-Recht, sondern auch in den
2 Mitgliedstaaten gegeben, wenn auch gegenüber dem geschrie-
benen Recht in nur minimalem Umfang, siehe z. B. die Ent-
2 schädigungspflicht für enteignende Eingriffe im deutschen
Recht. Inhalt und Umfang ungeschriebenen Rechts erkennt
man am besten in relevanten Gerichtsurteilen oder durch wis-
2 senschaftliche Publikationen.
Das Konzept des Allgemeinen Rechtsgrundsatzes stammt
aus dem Völkerrecht: Dort sind mit dem Begriff „Allgemeine