Page 108 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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102 Kapitel 4 • Die Europäische Union
- die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mit-
gliedstaaten sind der Ausgangspunkt;
2 - durch wertende praktische Vergleiche der erkannten
Verfassungsüberlieferungen formuliert der EuGH, unter
Berücksichtigung der Unionsinteressen, einen Rechts-
- unrichtig wäre allerdings eine bloße Subtraktion oder
grundsatz;
4 Addition von Verfassungsgrundsätzen der Mitglied-
staaten; man kann also nicht alle Ausprägungen eines
Rechtsgrundsatzes in den Mitgliedstaaten gleichsam
- vielmehr kreiert der EuGH einen eigenen Rechtsgrund-
addieren, um den Unionsgrundsatz zu erfassen;
satz des EU-Rechts, der unabhängig von den Rechts-
grundsätzen der Mitgliedstaaten ist.
Die einzelnen Grundsätze Rechtsstaatliche Grundsätze: Abgesehen von Verästelungen
wurden vom EuGH in seiner Rechtsprechung folgende Rechts-
- Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Transparenzrichtlinie,
grundsätze angenommen:
Slg. 1982, 2545). Dieser Grundsatz umfasst vor allem die
beiden wichtigen Sätze vom Vorbehalt und vom Vorrang
des Gesetzes. Gesetzesvorbehalt bedeutet, dass die Union
nur aufgrund ihrer bestehenden Kompetenzen belas-
tende oder begünstigende Rechtsakte erlassen dürfen.
2 Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass die Union bei all
ihrem Handeln an das komplette Unionsrecht gebunden
ist;
2 - rechtliches Gehör: Vor Beeinträchtigungen seiner Rechte
ist der Bürger anzuhören (Meura, Slg. 1986, 2263);
-
2 - faires Verwaltungsverfahren (Pecastaing, Slg. 1980, 691);
Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes:
2 Dieser Grundsatz ist sehr allgemein und bedeutet, dass
die Union bei ihrem Handeln immer auch die Interessen
des/r Rechtsunterworfenen mit in ihre Abwägung einbe-
2 ziehen muss (Defrenne, Slg. 1976,480; Milchkontor, Slg.
1983, 2633);
2 - der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, wo-
durch eine konsistente Entscheidungspraxis der Verwal-
tung herbeigeführt werden soll;
2 - der Bestimmtheitsgrundsatz: eine einen Marktbürger
belastende Maßnahme muss immer klar und deutlich
2 sein, damit der Betroffene seine Pflichten und Rechte klar
erkennen sowie etwaige eigene Maßnahmen vornehmen
- kann (Gondrand Frères, Slg. 1980, 1942);
2 das Verbot rückwirkender hoheitlicher Maßnahmen,
soweit nicht das Regelungsziel die Rückwirkung verlangt